Hamburg. Die Stimmung ist prächtig, so ist aus dem Lager der deutschen Tennisspielerinnen vor dem Fedcup-Relegationsspiel am Wochenende gegen die USA (Eins Plus live) zu hören. Mit einem Sieg über den Rekordchampion würde die Auswahl von Teamchefin Barbara Rittner in Stuttgart in die Weltgruppe zurückkehren. Ob Sabine Lisicki mitspielen darf, erfährt sie am Freitag. Deutschlands einstige Nummer eins wäre jedenfalls bereit - und das schien vor Kurzem noch undenkbar.

Abendblatt:

Frau Lisicki, wie groß ist Ihre Lust, am Wochenende Fedcup zu spielen?

Sabine Lisicki:

Sehr groß. Ich freue mich sehr, wieder im Team zu sein. Es macht immer Spaß und ist eine Ehre, für Deutschland zu spielen.

Im Februar vergangenen Jahres haben Sie Ihre Teilnahme am Erstrundenspiel in Tschechien abgesagt und damit auch Teamchefin Barbara Rittner düpiert. Woher kommt der Sinneswandel?

Lisicki:

Das war kein Sinneswandel. Ich war damals in einer Situation, in der ich mich auf meine persönliche Karriere konzentrieren musste, weil ich mich zuvor verletzt und einige Turniere verpasst hatte. Allein deshalb habe ich es vorgezogen, in Asien zu bleiben, wo mein nächstes Turnier stattfand.

Träumen Sie vom Fedcup-Sieg?

Lisicki:

Dieser Wettbewerb hat seinen ganz eigenen Stellenwert. Wir sind das ganze Jahr allein unterwegs und spielen gegeneinander. Aber ich war schon in der Schule gern Teil eines Teams.

Und Sie liebten das Rampenlicht.

Lisicki:

Ja. Das war schon so, als ich als Kind im Musical aufgetreten bin. Viele lachen darüber, aber ich kann immer noch eins draufsetzen, wenn ich vor großer Kulisse spiele. Nervosität kenne ich nur im positiven Sinn.

Sie wurden durch Verletzungen weit zurückgeworfen. War es härter, sich wieder zurückzukämpfen, als aus dem Nichts in die Weltspitze zu stürmen?

Lisicki:

Definitiv. Das Schlimmste waren die Krücken, mit denen ich sechs Wochen laufen musste. In der Zeit habe ich die Muskulatur meines linken Beins komplett verloren. Ich musste wieder gehen lernen, einfache Dinge des täglichen Lebens. Auf dem Laufband war ich nach nur einer Minute fix und fertig. Das muss man sich mal vorstellen! Ich wusste nicht, wie es weitergehen soll. So schwer hatte ich es mir nie vorgestellt.

Wer hat Ihnen geholfen?

Lisicki:

Meine Eltern und der Olympiastützpunkt in Berlin. Ich habe mich in dieser Zeit mit Britta Steffen angefreundet, auch sie war damals verletzt. Wir haben uns gegenseitig unterstützt. Wir beide kennen ja das gesamte Paket des Leistungssports, deshalb verstehen wir uns richtig gut.

Wie war es zurückzukommen?

Lisicki:

Als ich wieder auf dem Platz stand, wusste ich zunächst kaum, was ich tun sollte. Was man sich über Jahre erarbeitet hatte und vorher fast automatisch lief, war plötzlich weg: wohin man den Ball spielen muss, um zu punkten, aus welcher Lage man welchen Ball wählt. Es sind genau diese Details, die den Unterschied zwischen Top 30 und Top 100 ausmachen. All das kommt jetzt langsam zurück. Als ich im März in Miami mein Erstrundenspiel gewonnen und dann das Achtelfinale erreicht hatte, war der Knoten geplatzt.

Wie nahe sind Sie Ihrem früheren Niveau inzwischen gekommen?

Lisicki:

Das kann ich selbst nur schwer einschätzen, zumal sich mein Spiel auch verändert hat. Ich habe viel an der Defensive gearbeitet. Früher habe ich immer aggressiv gespielt, jetzt ist mein Repertoire größer.

Inwiefern haben die Verletzungen Ihre Einstellung zum Profisport verändert?

Lisicki:

Ich arbeite heute bewusster. Man vergisst im Alltag leicht, wie sehr man diesen Sport liebt. Es war ja fast schon selbstverständlich geworden, bei großen Turnieren auf einem großen Platz spielen zu dürfen.

Andrea Petkovic und Julia Görges haben Ihnen in Deutschland den Rang abgelaufen. Ist das ein zusätzlicher Ansporn?

Lisicki:

Klar spornt Konkurrenz an. Und vor allem ist es gut für das deutsche Tennis, dass es mehrere Spielerinnen gibt, die auf hohem Niveau spielen. Vielleicht belebt das auch die Turnierszene in Deutschland. Mein großer Wunsch ist, die German Open in Berlin wieder zu beleben. Es war so ein tolles Turnier, noch dazu in meinem Klub.

Was auffällt, ist, dass im Tennis die dominierende Figur fehlt, jede kann jede schlagen. Ist das eine gute Entwicklung?

Lisicki:

Wir erleben gerade einen Generationswechsel an der Spitze, da kommt eine junge Truppe nach oben. Anders als zu Zeiten von Graf und Hingis ist die Leistungsdichte in den Top 100 heute viel höher, und dass die Zuschauer deswegen so viele offene Matches erleben, macht das Damentennis aus meiner Sicht nur interessanter.