Der FC Bayern München und Louis van Gaal einigten sich auf eine Vertragsauflösung im Sommer. Der Klub sucht nun einen Nachfolger.

München. Was bereits am Sonntag durchsickerte, ist nun Gewissheit: Louis van Gaal bleibt Trainer beim FC Bayern München – vorerst. Bis zum Saisonende soll der Niederländer den Rekordmeister weiter führen, danach ist Schluss. Die Verantwortlichen um Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge einigten sich mit van Gaal auf eine Vertragsauflösung im Sommer. Das bestätigte der Klub am Montagnachmittag. Grund für die Trennung sei die „unterschiedliche Auffassung über die strategische Ausrichtung des Klubs“. Alle Beteiligten seien sich jedoch einig darüber, „dass in der derzeit schwierigen sportlichen Situation des FC Bayern München gemeinsam sämtliche Kräfte eingesetzt werden, um die sportlichen Mindestziele dieser Saison noch zu erreichen“.

Zur neuen Spielzeit 2011/2012 sucht der Verein nun nach einem Nachfolger. Die Namen von DFB-Sportdirektor Matthias Sammer und dem derzeit vereinslosen Ex-HSV-Coach Martin Jol geisterten in diesen Tagen schon rund um die Säbener Straße.

Eine langfristige Zukunft von Louis van Gaal beim FC Bayern schien nach der verspielten Meisterschaft, dem Aus im DFB-Pokal und der spätestens nach der 1:3-Pleite in Hannover akut gefährdeten Champions-League-Qualifikation fast undenkbar. Das Verhältnis zwischen Präsident Uli Hoeneß und van Gaal war schon seit längerer Zeit stark beschädigt. Bislang gab Vorstandschef Rummenigge seinem Coach noch Rückendeckung. Das ist nun vorbei. Von der Aufstellung bis zur Transferpolitik – diese Fehler kreiden Kritiker dem Meistercoach von 2010 an:

Transferpolitik:

Nach der WM in Südafrika, bei der elf von 13 Bayern-Profis bis zum Schluss im Einsatz waren, befürchtete man auch intern Probleme zum Saisonstart. Ausgelaugte Stars, dazu ein verletzter Robben – trotzdem lehnte van Gaal genehmigte Millionen-Transfers selbst in der Wackel-Abwehr ab. Dem Jugendförderer genügte die Rückkehr von Kroos (aus Leverkusen) und Breno (nach Verletzung).

Die Abwehr:

Van Gaal denkt fußball-taktisch offensiv – gerade Robbens Traumlauf in der Rückrunde der Vorsaison übertünchte Defizite in der Defensive. Auf der linken Seite setzte van Gaal ganz auf Youngster Diego Contento. Innen wurde auch nicht aufgerüstet, im Winter floh Demichelis nach Spanien. Nationalspieler Badstuber fiel nach einer Verletzung (Schambeinentzündung) ins Formtief. Van Buyten und Breno genügen höchsten Ansprüchen nicht. Ein Defensivkonzept besteht nicht, das Abwehrverhalten wird auch kaum trainiert.

Die Offensive:

Die Flügelzange Robben/Ribéry gilt als Schwungrad und wichigster Erfolgsfaktor im Angriffsspiel. Wird sie lahmgelegt – wie von Dortmund, Schalke, Hannover – fehlt Plan B. Robben und Ribéry rennen sich außen fest, im Zentrum herrscht ein kreatives Vakuum.

Der Torwarttausch:

Im Winter eröffnete van Gaal mit dem Tausch Kraft für Butt eigensinnig eine Baustelle im Tor. Kraft (22) ist ein großes Talent, hielt überragend in Mailand, patzte in Hannover. Routinier Butt (36) hielt tadellos in der Vorrunde, war zudem eine Führungsfigur. Das Buhlen der Bosse um Nationalkeeper Manuel Neuer vom FC Schalke sorgt für zusätzliche Unruhe und Druck auf Kraft.

Der Führungsstreit:

Die ständigen Reibungen zwischen Vereinsführung und Trainer belasten das Gesamtklima. Zwischen Präsident Hoeneß und van Gaal herrscht spätestens seit Hoeneß' Auftritt in der Talksendung "Sky90" Eiszeit. Da hatte er van Gaal im November beratungsresistenz vorgeworfen.

Der Kapitän:

Der vom Vorstand abgesegnete Winterwechsel von Mark van Bommel zum AC Mailand war sportlich vielleicht vertretbar. Auf dem Platz aber fehlt – wenn’s nicht läuft – eine Reizfigur und der Anführer. Der Niederländer war zudem Sprachrohr der Mannschaft.

Die Reservisten:

Van Gaal ist kein Freund der Rotation wie einst Ottmar Hitzfeld. Vernachlässigte Reservisten wie Klose, Altintop, Ottl, van Buyten sollen in der sportlichen Not plötzlich Retter sein. 30-Millionen-Stürmer Gomez stand zu Saisonbeginn vor der Flucht nach Liverpool – mit 28 Pflichtspieltoren ist er nun Stürmer Nummer 1.

Die Formkrisen:

Zum ungünstigsten Zeitpunkt sind Leistungsträger wie Schweinsteiger oder Badstuber aus dem Tritt geraten. Ein Vorkämpfer wie Ivica Olic fällt zudem bis Saisonende verletzt aus.

Die Sprunghaftigkeit:

Versäumnisse in der Kaderbestückung und Verletzungspech führt(e) dazu, dass van Gaal Spieler nicht auf ihren besten Positionen einsetzt: Müller musste auf die Flügel ausweichen, Schweinsteiger als Zehner aushelfen. Mittelfeldmann Timoschtschuk sollte das Innenverteidiger-Problem lösen. Badstuber war in Hannover einmal mehr links hinten überfordert. Winter-Neuzugang Luiz Gustavo wird defensiv hin- und hergeschoben; sein bestes Spiel machte er gegen Inter Mailand auf seiner Lieblingsposition als Sechser. (dpa)