Die 22-jährige will bei der Hallen-EM am Wochenende das Finale erreichen. Die Weitspringerin studiert nebenbei auf Lehramt.

Hamburg. Den Schokoladenkuchen hat Nadja Käther nur zur Ansicht auf den Tisch gestellt. Sie ist früh aufgestanden an diesem Morgen, um ihn für das Lehrerkollegium an der Heinrich-Hertz-Schule zu backen, wo sie heute ihren letzten Praktikumstag hatte. Sie selbst habe nur ein paar Krümel probiert, "dabei liebe ich Schokolade über alles". Aber am Wochenende will die Leichtathletin des HSV bei den Halleneuropameisterschaften in Paris große Sprünge machen, und da kann jedes Gramm zählen.

Käther, 22, hat früh gelernt, Verzicht zu üben. Zehn Jahre alt war sie, als sie in ihrem Heimatort Ahrensburg mit der Leichtathletik begann. Gern hätte sie weiter Rock 'n' Roll getanzt, aber ihr Partner war zum Fußball gewechselt, und mit einem Mädchen wollte sie nicht tanzen. Ihr Weitsprung- und Sprinttalent wurde früh entdeckt, und inzwischen weiß sie, dass es sich gelohnt hat, die weiten Wege zum Training in Kauf zu nehmen, manche Party auszulassen und sonnabends hinterm Verkaufstresen zu stehen, um sich Studium und Sport zu finanzieren. Denn der Traum, einmal das Nationaltrikot zu tragen, ist längst kein Traum mehr. Und sie ist so erfolgreich, dass sie wirtschaftlich zumindest auf eigenen Füßen stehen kann: "Darauf bin ich stolz."

Es ist Käthers zweiter großer Wettkampf nach der Freiluft-EM 2010 in Barcelona. Damals fehlten ihr mit 6,61 Metern nur zwei Zentimeter zum Finale. Noch einmal wird sie nicht so aufgeregt sein wie damals, das hat sie sich für die morgige Qualifikation fest vorgenommen. Sie will die Atmosphäre im ausverkauften Palais Omnisport genießen. Die Ruhe zu bewahren, auch das hat Käther durch den Leistungssport gelernt. Ein Sportpsychologe half ihr, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.

Das Lehramtsstudium hilft ihr, sich nicht im Sport zu verlieren. Viele ihrer Konkurrentinnen betreiben die Leichtathletik als Sportsoldatinnen professionell. "Aber mit der Bundeswehr kann ich mich nicht identifizieren", sagt Käther. Sie komme dank der Unterstützung des HSV, des Teams Hamburg, der Sporthilfe und ihres Ausrüsters Nike auch so über die Runden. Nur ein Auto würde helfen, um die Ausrüstung nicht immer in die U-Bahn schleppen zu müssen. Drei, vier Stunden täglich kosteten sie Wege zwischen Wohnung, Universität und Trainingsstätte.

Aber dann denkt Nadja Käther daran, "für wie wenig Geld mein Trainer Sven Schroeder jeden Nachmittag an der Bahn steht". Und daran, was ihr der Leistungssport alles ermöglicht. Zum Beispiel eine Reise nach Paris, wo sie noch nie war, obwohl Französisch neben Sport ein Studienfach ist.

Ihrem Freund Helge Schwarzer, 25, mit dem sie kürzlich zusammengezogen ist, war dies nicht vergönnt. Der HSV-Hürdensprinter verpasste die EM-Qualifikation knapp. Er werde sie nicht zu ihrem Wettkampf begleiten, sondern bei seiner Schwester in Lissabon Abstand suchen. "Ich würde es wohl genauso machen, glaube ich", sagt Käther. Zum Trost darf er die Reste von dem Kuchen essen.

Eurosport berichtet am Freitag (9-11.30 und 16.45-19 Uhr) und Sonntag (15.30-17 Uhr) live sowie am Sonnabend (22-23.30 Uhr) in einer Aufzeichnung.