Der beste deutsche Tischtennis-Spieler spricht über seine schwere Zeit im vergangenen Jahr. Sein Ziel ist Olympia 2016 in Rio de Janeiro.

Dortmund. Bei den bis zum Sonntag stattfindenden German Open in Dortmund ist Timo Boll, 29, natürlich an Nummer eins gesetzt. Diese Position nimmt Deutschlands bester Tischtennisspieler seit Januar auch wieder in der Weltrangliste ein.

Abendblatt: Herr Boll, Sie haben sieben Jahre darauf warten müssen, wieder die Nummer eins zu werden. Was ist im vergangenen Jahr besser gelaufen als in den Jahren zuvor?

Timo Boll: Konkret verändert habe ich nichts. 2010 war vor allem deshalb ein gutes Jahr für mich, weil ich im Gegensatz zu den Jahren davor weitgehend gesund durch die Saison gekommen bin. Es gab keine größere Verletzung, die mich länger außer Gefecht gesetzt hat. Abgesehen von dem Weißheitszahn, den ich mir ziehen lassen musste.

Der Weltverband ITTF ist in die Kritik geraten für die Gestaltung des Terminkalenders. Die besten Spieler haben beim Protour-Finale in Seoul gefehlt, weil sie zu wenig Turniere gespielt hatten.

Boll: Man muss bei sechs Protour-Veranstaltungen spielen, um für das Finale zugelassen zu werden. Im vergangenen Jahr hat mich geärgert, dass sie einfach Turniere abgesagt haben, die in meinem Jahresplan fest vorgesehen waren. Wenn du erst drei Wochen vorher erfährst, dass ein Turnier nicht stattfindet, dann geht das nicht. So schnell kann ich meinen Jahreskalender nicht umbauen. Plötzlich stand ich dann im Herbst mit zu wenig Turnieren da. Das darf sich nicht wiederholen.

Im vergangenen November haben Sie sich völlig überraschend von allen Turnieren zurückgezogen. Warum?

Boll: Ursprünglich wollte ich später eine Pause machen. Aber dann habe ich schon Anfang November gespürt, dass es sinnlos wäre weiterzuspielen. Ich war nach einer Fülle schwerer Turniere und Mannschaftsspiele körperlich und mental am Limit, schon darüber hinaus.

Wie äußerte sich das?

Boll: Ich wollte nur noch raus aus der Halle. Tischtennisspielen war auf einmal eine Qual für mich, dieses Gefühl hatte ich vorher nicht gekannt. Ich bin von Natur aus keine Quasselstrippe, aber als ich dann zu Hause gar nicht mehr gesprochen habe, hat meine Frau sich Sorgen gemacht. Ich war an einem Punkt, an dem ich wusste: Wenn du jetzt noch weiterspielst, verlierst du komplett den Halt.

Sie sind dann in den Urlaub gefahren.

Boll: Das haben wir gemeinsam entschieden. Nach ein paar Tagen haben die Finger wieder angefangen zu jucken, und ich habe wieder angefangen, mit Spaß zu trainieren. Deswegen war es die richtige Entscheidung, auf Turniere und Preisgelder und solche Sachen zu verzichten. Ich glaube, nicht viele Sportler finden da den richtigen Zeitpunkt zum Absprung.

Haben Sie in diesen Tagen ans Aufhören gedacht?

Boll: Nein, absolut nicht. Ich war einfach nur leer. Und es ging danach ja auch wieder schnell bergauf.

Sie werden in diesem Jahr 30. Wie lange können Sie auf Spitzenniveau spielen?

Boll: Mein Ziel sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Bis dahin will ich auf jeden Fall weitermachen, wenngleich ich nur noch dosiert Turniere spielen werde. Das ist die Lehre, die ich aus dem vergangenen Herbst gezogen habe.

Andere denken in Ihrem Alter an das Gründen einer Familie.

Boll: Das ist auch bei uns ein Thema. Aber als Tischtennisprofi bist du viel in der Welt unterwegs. Deswegen ist die Zeit dafür noch nicht reif.