Nach langer Verletzung gilt Weltmeisterin Kathrin Hölzl im heutigen Riesenslalom in Garmisch-Partenkirchen nur als Außenseiterin

Garmisch-Partenkirchen. Ungewöhnliche Umstände erfordern manchmal ungewöhnliche Maßnahmen. Also ist Kathrin Hölzl kürzlich, während ihre Kolleginnen zu Weltcup-Skirennen in den Bayerischen Wald fuhren, nach Potsdam gereist. Schneebedeckte Berge gibt es dort nicht, dafür aber einen Muskelspezialisten, der der unter üblen Rückenbeschwerden leidenden 26-Jährigen zu einer angenehmen Erfahrung verhalf: "Noch am gleichen Tag konnte ich wieder schmerzfrei eine Treppe steigen."

Allein: Hölzls Freude darüber währte nicht lange. Der Schmerz kehrte zurück, er strahlt in die Beine aus und verhindert, dass die zierliche Bayerin ordentlich Druck ausüben kann auf ihre Arbeitsgeräte. Seit dem 11. Januar hat Hölzl kein Rennen mehr bestritten - oder doch, eines, das gegen die Zeit. Bei den Weltmeisterschaften in Garmisch-Partenkirchen steht heute der Riesenslalom mit zwei Durchgängen an (10.00/13.30 Uhr, ARD und Eurosport live). Kathrin Hölzl will unbedingt starten, schließlich ist sie Titelverteidigerin. Großes Aufheben um ihren Zustand macht sie keines. "Ein bisschen auf die Zähne beißen", hat sie sich verordnet.

2009 in Val d'Isere war Hölzls Stern aufgegangen. Im Deutschen Skiverband (DSV) beklagten sie seinerzeit 52 WM- und olympische Einzelrennen ohne Medaillengewinn in Folge - dann kam die kleine Zollhauptwachtmeisterin aus Bischofswiesen und stellte auf der eisigen Piste Face de Bellevarde unter Beweis, dass ihre Trainer sie zu Recht zu den talentiertesten Skirennläuferinnen der Welt zählen. Und dass sie ihre Nerven im Zaum halten kann, wenn es darauf ankommt. "Es hat ein bisschen Klick gemacht im Kopf durch den Weltmeistertitel", sagt Hölzl heute.

Die staatlich geprüfte Skilehrerin hat eine anpackende Art, was nicht nur ihr Händedruck illustriert. "Mit Kathrin zu arbeiten macht jedem Trainer Spaß: Sie ist physisch sehr stark, zielstrebig, trainingsfleißig und in den vergangenen Jahren zum Musterbeispiel einer professionellen Skirennfahrerin geworden", schwärmt Bundestrainer Thomas Stauffer. "Hinzu kommt die mentale Stärke einer gereiften Persönlichkeit."

Dass diese Stärke gelitten hat nach Wochen auf dem Sofa ohne schlüssige ärztliche Diagnose, liegt auf der Hand. "Es schlägt auf die Psyche", sagt Hölzl. Diverse Ärzte hat die Weltmeisterin konsultiert. Der bis dato letzte Verdacht für die Ursache der seit rund einem Dreivierteljahr währenden Beschwerden: ein Rheumafaktor im Blut, der vor allem bei einer Schwächung des Immunsystems Schmerzen auslöst.

Intensive Physiotherapie und Spritzentherapie haben kurzfristig dafür gesorgt, dass Hölzl heute einen Start wagen kann, "auch wenn sicherlich noch die Kraft fehlen wird", wie ihr schwant. Trotz ihrer Malaisen ist sie ja Viertplazierte in der Riesenslalom-Weltcupwertung, war diese Saison zweimal Dritte und einmal Zweite.

Wolfgang Maier, Alpindirektor im DSV und eng mit Hölzls Familie vertraut, gab in Garmisch-Partenkirchen ehrlich zu: "Wir hatten das Thema schon abgehakt, dass Kathy hier überhaupt starten kann." Doch der Stilistin auf Skiern ist eine gewisse Sturheit eigen. Sie weiß das, "und manchmal ist es ein Vorteil, manchmal ein Nachteil. Ich versuche meinen Kopf durchzusetzen, auch wenn ich nicht recht habe", sagt Kathrin Hölzl lächelnd über sich.

Im Verband mögen sie es als verheißungsvolles Glück im Unglück deuten, dass Hölzl vor zwei Jahren just dann bei einem Weltmeisterschaftsrennen auftrumpfte, als die Erwartungen an sie nicht die höchsten waren. Anders gesagt: Kathrin Hölzl behagt die Außenseiterposition.

Ursprünglich war der heutige Riesenslalom der Frauen aus Sicht der Deutschen als aussichtsreichster Wettbewerb ausgemacht gewesen mit der Weltcupführenden Riesch, der Titelverteidigerin Hölzl und der Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg, 21, unter den besten sieben Skirennläuferinnen dieser Disziplin. Jedoch hat Maria Riesch zuletzt viel gehustet, aber wenig Techniktraining absolviert, und Viktoria Rebensburg zwang eine Virusgrippe zu Bettruhe sowie zum Verzicht auf den Super-G am Dienstag vergangener Woche. Die 21-Jährige gibt sich aber optimistisch und glaubt, heute "wieder bei 100 Prozent" zu sein.

Für einen Start im Teamwettbewerb gestern kam keine der drei Frauen infrage, sie wurden geschont. Deutschland schied im Viertelfinale gegen den späteren Sieger Frankreich aus, Silber ging an Österreich vor Schweden. Aber wie pflegt Kathrin Hölzl ja zu sagen? "Die WM ist auch nur ein Skirennen."