Hamburgs Leichtathleten beklagen eine Zweckentfremdung ihrer Trainingshalle für die Wahlen

Hamburg. Am Montagabend war Frank Thaleiser zu Gast bei der Hamburger Sportgala. Er konnte dort Bürgermeister Christoph Ahlhaus von der Sportstadt Hamburg schwärmen hören und von dem Stolz auf die erfolgreichen Spitzenathleten. Am nächsten Morgen war für den Geschäftsführer des Hamburger Leichtathletik-Verbandes von diesem Sportsgeist nicht mehr viel zu spüren. Die Leichtathletikhalle an der Krochmannstraße, so erfuhr er, sei von Freitag bis zum kommenden Mittwoch auch für die Leistungssportler nicht zugänglich - und das wenige Tage vor den deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig am übernächsten Wochenende und der EM in Paris eine Woche später. Das Bezirksamt Nord hat die Anlage und die benachbarte Sporthalle als Auszählzentrum für die Wahl in Beschlag genommen. Am Mittwoch ist die Halle zudem für das Leichtathletikfest der Special Olympics Hamburg reserviert.

"Die schönen Reden kann man sich sparen, solange nicht kapiert wird, welche Bedürfnisse der Leistungssport hat", zürnt Thaleiser. Über die geplante Hallensperrung hatte das Bezirksamt zwar bereits am 19. Januar informiert. Doch Thaleiser beruft sich auf eine mündliche Absprache, wonach zumindest die Kaderathleten am Freitag, Sonnabendvormittag und Dienstagnachmittag Zugang zur Anlage erhalten sollten. Dies aber ist in den Plänen der Behörde nicht vorgesehen. Am Freitag soll demnach mit dem Abbau der Trainingsgeräte und der Tribünen begonnen werden. Am Sonnabend werden Stühle und Tische für insgesamt 900 Helfer aus 90 Briefwahlvorständen aufgebaut. Von Sonntag bis Dienstag sollen dann die Stimmzettel ausgewertet werden - aufgrund des komplexen neuen Wahlrechts wird mit einer entsprechend langen Auszählzeit gerechnet. Nur der Kraftraum steht den Sportlern noch zur Verfügung.

Nils Winter vom Buxtehuder SV, Vizeeuropameister im Weitsprung, reagierte ungehalten: "Das geht gar nicht. Es ist eine Leichtathletikhalle und kein Auszählzentrum." Dass es jahrzehntelang keine entsprechende Einrichtung in Hamburg gab, könne nicht bedeuten, dass sie nun entbehrlich sei. Im Gegenteil: "Nie wurde sie dringender gebraucht als derzeit." Vor allem die Athleten in den technischen Disziplinen sind auf die Halle als Trainingsstätte angewiesen. Sie müssen nun in anderen Bundesländern um Asyl ersuchen, um sich auf die Höhepunkte der Hallensaison vorzubereiten. "Man würde sich in dieser Phase gern auf den Sport konzentrieren, anstatt diesen Reiseaufwand betreiben zu müssen", klagt HSV-Hürdensprinter Helge Schwarzer.

Landestrainer Klaus Jakobs bemüht sich um Alternativen. Die nächsten Ausweichstätten wären Bremen, Schwerin und Hannover. Möglicherweise wird auch kurzfristig in Paderborn ein Trainingslager angesetzt, um die Schließzeit zu überbrücken.

Nicht nur um weitere Aussperrungen zu vermeiden, würde der Verband die Leichtathletikhalle gern in Eigenregie übernehmen. Damit solle auch sichergestellt werden, dass die Anlagen besser instand gehalten und gepflegt würden als bisher. Eine versprochene Grundreinigung steht laut Thaleiser seit Jahren aus. Sie zumindest kann noch bis Saisonende warten.