Nach Bronze bei der WM-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen hinter Görgl und Vonn will sie in den Slalom-Wettbewerben noch einmal angreifen

Garmisch-Partenkirchen. Die Jahre unter österreichischen Bergbewohnern haben hörbar abgefärbt auf Lindsey Vonn, 26. Während des Winters logiert Amerikas flottester Export auf zwei Brettern in der Alpenrepublik, wenn sie nicht gerade mit dem Weltcuptross vornehmlich durch Mitteleuropa zieht. Längst spricht Vonn fließend Deutsch mit charmantem österreichischen Einschlag.

Zuweilen ergeben sich dabei putzige Formulierungen, so wie gestern nach der WM-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen, die Vonn auf Rang zwei beendete - was ihr angesichts der lästigen Kopfverletzung aus dem Training der Vorwoche wie ein Sieg vorkam. "Beim Rennen", erklärte Vonn, "spur ich, dass ich nicht hundertprozentig bin." Umso stolzer sei sie auf ihre Silbermedaille hinter Elisabeth Görgl, 29, die am Dienstag schon den Super-G gewonnen hatte, und vor Maria Riesch, 26, die mit Bronze dekoriert sagte: "Ich bin der glücklichste Mensch der Welt."

Die Ausgangslage vor dem Prestigerennen war für die zuletzt zunehmend distanzierteren Freundinnen Riesch und Vonn ähnlich gewesen: Beide starteten nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Die Gesamtweltcupführende Riesch plagten die Folgen ihrer Virusgrippe ("Natürlich war ich leicht geschwächt, aber ich will nicht jammern"), die Zweite Vonn reklamierte anhaltende Konzentrationsschwierigkeiten ("Diese Verletzung hat mir meinen Drive genommen"). Dass sie bei dieser WM doch noch gemeinsam auf dem Podest standen und Vonn dabei Riesch von Platz zwei verdrängte, zählt zu den interessanten Pointen einer ersten Wettkampfwoche, in der die ehrgeizige Amerikanerin viele Sympathien verspielt hat. Zum einen durch ihre medienwirksame Nörgelei an der angeblich zu eisigen Piste, zum anderen, weil nicht wenige hinter ihrem Dauergreinen über diffuses Kopfweh Koketterie vermuteten. Motto: tief stapeln, hoch gewinnen.

Gestern sah die dominierende Skirennläuferin der vergangenen drei Jahre Erklärungsbedarf. Über die Kritik an ihrer Kritik gab sie sich überrascht. "Ich habe nichts gegen Garmisch gesagt, die Fis-Präparierung war meine Kritik", beteuerte Vonn. "Ich habe das Gefühl, dass die Leute, die Medien nicht nett zu mir waren. Das hat mich sehr enttäuscht in den letzten paar Tagen. Ich habe gekämpft, dass ich noch mal vorne mitfahren kann. Das ist kein Drama, keine Show. Es war eine wirklich schlimme Verletzung." Vonn schaute bedröppelt drein: "Ich hoffe, die Leute mögen mich noch."

In jedem Falle stimmte die 10 000 Zuschauer im Kandahar-Stadion das Abfahrtsresultat versöhnlich. Jede bekam, was sie wollte. Mehr oder weniger zumindest. "Ich freue mich über meine zweite Bronzemedaille wie über Gold", behauptete Riesch. "Ich habe es mir selber nicht 100-prozentig zugetraut." Nicht angesichts von nur einem Trainingslauf auf der schwierigen Kandahar sowie der körperlichen Mattheit nach vielen erzwungenen Stunden im Bett.

Vonn honorierte die Leistung ihrer Konkurrentin artig: "Maria hat auch keine leichte WM gehabt mit der Grippe. Ich bin sehr froh für sie. Für mich ist es ein super Gefühl, wenn wir gemeinsam auf dem Podest stehen." Sie sei stolz auf ihre Freundin, sagte Vonn versöhnlich, "sie ist eine große Siegerin". Riesch verriet, dass beide während der Super-G-Hangbefahrung am Dienstag vereinbart hatten, "dass wir nicht mehr zu viel übereinander sagen".

Inwieweit die augenscheinliche Entfremdung der derzeit besten Skirennläuferinnen im Weltcup in den zurückliegenden Wochen reversibel ist, wird sich erst zeigen müssen. In dieser Woche verfolgen Riesch und Vonn noch unterschiedliche Ziele. Die Amerikanerin will frühestens heute entscheiden, ob sie weitere WM-Rennen fährt; die Deutsche ruht sich heute noch einmal aus und setzt ab morgen auf Techniktraining für die kommenden Wettbewerbe Riesenslalom (Donnerstag) und Slalom (Sonnabend). Ob Riesch am Mittwoch im Teamwettbewerb startet, ist offiziell noch nicht entschieden. "Wenn noch was geht, wäre das schön", sagte Riesch. Und wenn nicht, "wäre es trotzdem eine gute WM gewesen".