Der Treffer zum 3:2 im Finale gegen Polen fiel erst in der Verlängerung

Posen. Die Goldmedaille baumelte längst um seinen Hals, als Moritz Fürste noch einmal Übersicht bewies. Gerade hatten sich die deutschen Hockeyherren zu einer Jubeltraube zusammengefunden, sie sangen und sprangen entrückt durch die Posener Messehalle, da griff der Hamburger Mittelfeldspieler des Uhlenhorster HC nach dem goldenen WM-Pokal, den irgendjemand achtlos auf dem Spielfeld abgestellt hatte. Fürste packte das hässliche, aber so begehrte Stück und brachte es in Sicherheit. Spötter sollten später sagen, es sei seine beste Szene gewesen am Schlusstag der dritten Hallen-WM in Polen, der ein Herrenfinale geboten hatte, das noch lange in Erinnerung bleiben wird.

70 Sekunden vor Ablauf der ersten Hälfte der Verlängerung hatte der Kölner Benjamin Wess das Team der Gastgeber aus der Drehung ins Herz getroffen. Es war das Golden Goal zum 3:2, das Deutschland nach 2003 (7:1) und 2007 (4:1) zum dritten Mal das Finale der Hallen-WM gegen Polen gewinnen ließ, und auch wenn das Team von Bundestrainer Markus Weise die Partie verdient gewann, so war es doch ein glücklicher Erfolg gegen eine Mannschaft, die sich als einziger Gegner auf Augenhöhe entpuppt hatte. Bereits bei der 2:3-Niederlage in der Gruppenphase waren die Deutschen an der Defensivstärke der Osteuropäer verzweifelt, gestern lagen sie nach elf Minuten wieder 0:2 zurück und sahen sich einem Torhüter Mariusz Chzyla gegenüber, der sich vorgenommen hatte, zum Volkshelden zu werden. Mit jeder Parade ihres Keepers wurden die 4000 enthusiastischen Fans lauter.

Es zeichnete die deutsche Mannschaft jedoch aus, dass sie trotz der Gegentore nie die Ruhe verlor, sondern geduldig Angriff auf Angriff vortrug und sich letztlich durch Tore des Mannheimers Matthias Witthaus und Oskar Deecke vom Crefelder HTC belohnte. "Wir wussten, dass wir bis zum Schluss zulegen können. Ein 0:2 ist im Hallenhockey kein großer Rückstand, obwohl die Polen wirklich stark verteidigt haben", sagte Fürste.

In der Verlängerung traf der Kölner Christopher Zeller nach drei Minuten, doch das Tor wurde aberkannt, weil Zeller den Ball mit dem Fuß berührt hatte. Eine Minute später erlöste Zellers Klubkollege Wess dann das Team und die rund 100 mitgereisten Fans.

Sein Jubelsprint über das halbe Feld endete direkt vor dem polnischen Fanblock. "Das war keine bewusste Entscheidung, ich wollte niemanden provozieren. In dem Moment, als der Ball im Netz war, wollte ich einfach nur die Freude rauslassen", sagte Wess.

"Wir waren hier die beste Mannschaft, aber wir haben wieder gesehen, dass die anderen Nationen nah herangerückt sind", bilanzierte Weise. Tatsächlich waren es nur die Polen und mit Abstrichen Österreich, das durch ein 5:0 gegen Russland Dritter wurde, England und die Niederlande, die mit den Deutschen mithalten konnten. So hatte Deutschland die Russen im Halbfinale 10:0 deklassiert, der Rest des Feldes spielte mindestens eine Klasse schlechter. Allerdings hatte Weise auch eine Mannschaft am Start, die von den Experten als die stärkste angesehen wurde, die den Serienweltmeister je unter einem Hallendach vertrat.

Aus Hamburger Sicht war der Bundestrainer vor allem mit der Leistung von Torhüter Nico Jacobi (Uhlenhorster HC) hoch zufrieden, der sich seine Einsätze in Halbfinale und Endspiel verdient hatte. Die Auftritte von Tobias Hauke (Harvestehuder THC) und dem als zweiten Torwart eingesetzten Tim Jessulat vom Club an der Alster bezeichnete er als solide, Fürstes Bemühungen dagegen als eher enttäuschend. "Er hat unter seinem Niveau gespielt. Mo fühlt sich viel zu sehr für alles verantwortlich, anstatt sein Spiel zu spielen. Da müssen wir verstärkt dran arbeiten", sagte Weise.

Das gilt für die kommenden Jahre grundsätzlich, wenn die deutschen Herren ihrer Favoritenstellung auch bei der Heim-WM in vier Jahren gerecht werden wollen. Daran jedoch wollte am Sonntagabend niemand mehr denken. Nach einem Essen im Teamhotel wurde der Titelgewinn in einem Nachtklub in der Posener Altstadt begossen.

Spätestens da hatte auch Moritz Fürste den Pokal wieder aus den Augen verloren.