Deutschlands Gegner Namibia begreift die heute in Polen beginnende Hallenhockey-Weltmeisterschaft als große Chance

Köln/Posen. Gerade hat Randy Slabbert seine Spieler in Marsch gesetzt, damit sie sich die harte Trainingseinheit aus den Beinen laufen, da passiert Erstaunliches. Kapitän Joseph Kashamako stimmt unter rhythmischem Klatschen ein afrikanisches Volkslied an, und bald zuckelt das gesamte Team singend und klatschend im Kreis durch die Halle. Kurz bevor die Spieler zum Mittagessen gehen, singen sie am Mittelkreis gemeinsam den "Shosholoza"-Song.

Die Hockey-Auswahlteams aus Namibia sorgen in dieser Woche für Staunen und Genießen. Sowohl die Damen als auch die Herren sind Teilnehmer der Hallenhockey-Weltmeisterschaft, die heute im polnischen Posen beginnt. Die Herren aus dem südwestafrikanischen Staat, der bis 1915 deutsche Kolonie war und erst seit 1990 unabhängig ist, treffen gleich zum Auftakt heute (15 Uhr) auf den Titelverteidiger und Topfavoriten Deutschland. Die Damen starten heute gegen Weißrussland und müssen morgen (13.45 Uhr) gegen Deutschland antreten, das sein Auftaktspiel heute (16.15 Uhr) gegen Uruguay bestreitet.

"Wir gegen Deutschland, das ist ein noch ungleicheres Duell als David gegen Goliath", sagt Slabbert. Der 45-Jährige ist der Trainer der namibischen Herren und spricht passables Deutsch. Das Team verständigt sich auf Englisch und Afrikaans. Sein Kapitän Kashamako, 32, bewundert das deutsche Hockey: "Sie spielen sehr schnell und akkurat, sie halten sich immer an ihren Plan und verlieren nie die Ordnung." Dieses Spiel sei der Höhepunkt seiner Karriere.

Dass Namibias Auswahlteams überhaupt in Polen dabei sein dürfen, verdanken sie der Arroganz Südafrikas. Die Vorzeige-Hockeynation des Kontinents war zu den Qualifikationsspielen gegen den Nachbarn nicht angetreten, weil man glaubte, gesetzt zu sein. "Für uns ist das eine unglaubliche Chance, uns in der Hockeywelt einen Namen zu machen", sagt Slabbert.

Natürlich glaubt niemand, dass man gegen die Deutschen auch nur ansatzweise mithalten könne. 2500 organisierte Hockeyspieler gibt es unter den gut zwei Millionen Namibiern, sechs Vereine im ganzen Land, fünf davon in der Hauptstadt Windhoek. Hallenhockey wird wegen der hohen Temperaturen im Sommer gespielt, trainiert wird auf einem Rollhockeyfeld. Bei den Damen gibt es sogar vier Südafrika-Legionärinnen, eine weitere spielt in den Niederlanden. Dennoch ist das Niveau beider Teams höchstens mit deutschen Regionalligisten vergleichbar.

Wolfgang Kluth, 54, Sportdirektor bei Rot-Weiß Köln, vermittelte den Spielern in Windhoek und später in Köln die Grundzüge des europäischen Hockeys. In Polen ist Kluth als Betreuer und Spielbeobachter dabei. "Das ist eine tolle Erfahrung, die Spieler sind alle unglaublich wissbegierig", sagt Kluth.

Die Trainingsarbeit obliegt jedoch weiterhin Slabbert und seinem Damen-Pendant Trevor Cormack. Einige seiner Spieler, sagt Slabbert, seien zum ersten Mal überhaupt in ein Flugzeug gestiegen. Hockey steht in Namibia beispielhaft für Integration. Während der Nationalsport Nummer eins, Fußball, hauptsächlich von Schwarzen betrieben wird und die Weißen das Rugby dominieren, halten sich im Hockey Schwarz und Weiß die Waage.

"Wir wollen versuchen, ein Spiel zu gewinnen und nicht Letzter zu werden", sagt Kashamako. Dann würde das Team auf dem Platz tun, was sonst nur in der Kabine oder im Training passiert: singen, klatschen und tanzen.