Der Handball-Bundestrainer berät mit dem Familienrat über seine Zukunft beim DHB.

Leipzig. Als seine tief gefallenen Spieler beim Autogrammeschreiben noch ein Stückchen Wiedergutmachung für die WM-Schmach betrieben, war der zuvor gefeierte Heiner Brand bereits auf dem Rückweg ins nächtliche Gummersbach. Den Sonntag wollte der 58-Jährige uneingeschränkt nutzen, um sich beim "Abfragen des persönlichen Umfelds" Klarheit über seine Zukunft als Handball-Bundestrainer zu verschaffen.

"Die Entscheidung wird Heiner Anfang der Woche treffen", sagte DHB-Präsident Ulrich Strombach am Rande des All-Star-Spiels der Nationalmannschaft gegen eine Bundesliga-Auswahl (39:37) in Leipzig. Der Jurist macht keinen Hehl daraus, dass Brand auch nach 14 Jahren und ungeachtet des blamablen elften WM-Platzes in Schweden die Idealbesetzung für den Posten ist: "Wir wollen den Bundestrainer mit allen Mitteln halten", sagte Strombach, der auch das zweistündige Treffen der neu gegründeten Task-Force am Freitagabend in Leipzig positiv bewertete.

Voraussichtlich heute wird damit eine knapp zweiwöchige Hängepartie enden, deren Ausgang völlig offen scheint. Die Handball-Bundesliga (HBL) hat zwar erste Zugeständnisse gemacht: So steigen die Bundesligisten künftig erst in der dritten statt der zweiten Pokalrunde ein, zudem pausiert der Spielbetrieb Mitte der nächsten Saison drei Tage früher als bisher, um der Nationalmannschaft mehr Zeit für die Vorbereitung der EM in Serbien im Januar zu geben. Doch selbst enge Weggefährten Brands tappen im Dunkeln.

Während DHB-Vize Horst Bredemeier befürchtet, dass die WM "das letzte Turnier von Heiner als Bundestrainer gewesen sein könnte", wollen die Spieler keine Anzeichen für einen möglichen Rücktritt ihres Coachs erkannt haben. "Er war normal, hat eine normale Ansprache gehalten", berichtete Holger Glandorf (Lemgo) vom ersten Auftritt der DHB-Auswahl nach der Enttäuschung von Schweden.

Brand hatte bei der WM einen ausgebrannten Eindruck hinterlassen und auch am Wochenende jedes Interview abgelehnt. Von den 7532 Zuschauern in der Arena erhielt der langjährige Coach den mit Abstand meisten Applaus. Glandorf hofft auf einen Verbleib Brands: "Heiner hat das Potenzial, uns weiter voranzubringen." Doch die Zeit drängt: Bereits am 9. und 13. März stehen für den Weltmeister von 2007 entscheidende EM-Qualifikationsspiele gegen den Olympiazweiten Island an.

HBL-Präsident Reiner Witte sieht Probleme für den Fall eines Rückzugs von Brand, der von der Liga ein klares Bekenntnis gefordert hatte. "Im Hinblick auf das enge Zeitfenster wäre es sicherlich eine nicht einfach zu handhabende Situation", sagte Witte, der Brand im Rahmen der Task-Force-Sitzung traf: "Dort hat er uns gesagt, dass seine Entscheidung nach dem Abfragen seines persönlichen Umfeldes fällt."

Hinter den Kulissen wird aber wohl schon am Plan B gearbeitet. Als Kandidaten gelten die Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer und Markus Baur. Zudem darf sich Co-Trainer Martin Heuberger Hoffnungen auf die Brand-Nachfolge machen. Gerüchten zufolge könnte auch Erfolgscoach Alfred Gislason vom deutschen Rekordmeister THW Kiel ein Anwärter auf den Bundestrainer-Posten sein.

Ungeachtet der Trainerfrage hat sich die HBL veränderungswillig gegeben. So wurde die Einführung einer A-Jugend-Bundesliga beschlossen. Die Meisterschaftsrunde soll ab nächster Saison in vier Staffeln à zwölf Mannschaften ausgespielt werden. "Ziel ist, dass die Jugend- und Juniorenspieler den Anschluss an die Männer-Bundesliga schaffen", sagte Witte: "Was nutzt es, wenn wir im Nachwuchsbereich Titel gewinnen, aber keine A-Nationalspieler herauskommen?"