Nach langer Leidenszeit greift die UHC-Spielerin bei der Hallenhockey-WM im polnischen Posen für die deutsche Damenauswahl an.

Hamburg. Als sich das Gespräch nach einer halben Stunde um die Hallenhockey-WM zu drehen beginnt, zeigt die Frau mit den zwei Gesichtern endlich ihr strahlendes. Sie hat genug erzählt von ihrer Leidenszeit, sie atmet durch und will sie hinter sich lassen, ein für alle Mal, die Verletzung, die sie zehn Monate ihrer Karriere gekostet hat. Und wo könnte man sich als Sportlerin besser zurückmelden als bei einer WM?

Am kommenden Dienstag beginnt das Turnier im polnischen Posen, und Lisa Hahn, 21, ist Teil der deutschen Damenauswahl, die sich derzeit in Buchholz darauf vorbereitet. Ein wichtiger Teil zumal, immerhin soll die Torjägerin vom Uhlenhorster HC das Erbe der zurückgetretenen Anneke Böhmert übernehmen. Doch Hahn, genannt "Hähnchen", sagt: "Ich will mich nicht aufs Toreschießen reduzieren lassen, sondern mich voll in den Dienst der Mannschaft stellen. Ich will diese WM genießen, sie ist ein Bonbon für mich."

Dass die gebürtige Rheinländerin überhaupt auflaufen kann, war vor ein paar Monaten noch gar nicht abzusehen. Als sie im September ihre Rehabilitation begann, hatte sie gerade beschlossen, die Hinrunde in der Feld-Bundesliga auszulassen. Sie war mit den Nerven am Ende, die Gedanken an ein viel zu frühes Karriereaus hatten sie zermürbt, aber sie hatte endlich verstanden, dass sie ihren Sport nur weiter würde ausüben können, wenn sie ihrem Körper totale Erholung gönnte. Dazu hatte es viele Rückschläge gebraucht. Im Januar 2010 hatte die Studentin der Ernährungswissenschaften wegen Schmerzen im Adduktorenbereich kürzertreten müssen. "Ich dachte, es wäre ein Muskelfaserriss. Aber dann wurden die Schmerzen sogar im Alltag, beim Sitzen oder Gehen, richtig schlimm."

Eine von Hahns Stärken ist ihre Einstellung zum Spiel. Sie ist deshalb die Frau mit den zwei Gesichtern, weil ihre natürliche Fröhlichkeit auf dem Platz einer angespannten Verbissenheit weicht, die an den früheren Fußball-Nationalspieler Matthias Sammer erinnert. Dann neigt sie zu Selbstgesprächen und zu Diskussionen mit den Schiedsrichtern, und sie gibt keine Schusskreisszene verloren, bis der Ball tatsächlich im Tor liegt.

Doch plötzlich wurde diese Stärke zum Problem, weil die wendige Angreiferin sich keine Ruhepause gönnen wollte. Sie spielte mit bandagiertem Oberschenkel die Endrunde um die deutsche Hallenmeisterschaft, sie spielte unter Zuhilfenahme von Cortisonspritzen auch die Endrunde im Feld, doch in dem Maß, in dem ihre Leistung litt, nahmen die Schmerzen zu. Eine Odyssee durch Arztpraxen begann, einmal pro Woche reiste sie zur Spritzenkur nach Köln, doch erst im Sommer, als sie einen U-21-Lehrgang unter starken Schmerzen abbrach, wurde die Ursache entdeckt. "Ich hatte einen Sehnenanriss am Schambein, das vernarbte Gewebe hat ständig auf einen Nerv gedrückt", sagt sie. Eine Operation brachte endlich Linderung. Fünf Wochen lang pausierte sie danach vollständig, ihr Kopf hatte über das Herz gesiegt. Von Woche zu Woche fühlte sie sich besser, und Ende Dezember stand sie tatsächlich wieder auf dem Hallenparkett, schmerzfrei und glücklich.

Dass ihr Vereinscoach Kais Al Saadi, der den mit dem A-Kader zum Lehrgang in Argentinien weilenden Bundestrainer Michael Behrmann in der Halle vertritt, sie für Polen nominierte, kam dennoch überraschend: "Ich bin noch lange nicht da, wo ich vor der Verletzung war." Vor allem Kraft und Ausdauer fehlten. Aber die Schnelligkeit, ihren Torriecher, die beeindruckenden technischen Fähigkeiten und den unbändigen Ehrgeiz hat sie nicht verloren. "Ich will alles, was ich verpasst habe, nachholen", sagt sie. Es muss für ihre Gegner wie eine Drohung klingen.