Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und Michael Schumacher präsentieren in Valencia ihre neuen Autos. Der Titelverteidiger ist wieder Schnellster

Valencia. Die ersten fünfzig Meter absolviert das Auto mit der Startnummer eins im Rückwärtsgang. Macht nichts, das erste Ausbremsmanöver der Saison ist Red Bull Racing trotzdem geglückt, auch mit fünf Minuten Verspätung: Der Weltmeister-Rennstall von Sebastian Vettel bittet um halb neun zur Frühschicht und stiehlt damit der Präsentation des neuen Silberpfeils von Mercedes um ein Dreiviertelstündchen die Show. Das Geplänkel zeigt, wie ernst es schon wieder ist am Tag eins der neuen Formel-1-Saison, der längsten der Geschichte.

Es ist noch nicht so richtig hell über dem Circuito Ricardo Tormo. Der Champion trotzt den drei Grad Außentemperatur mit einer trendigen Skimütze, Fachbegriff "Beanie", für 30 Euro aus dem eigenen Fan-Shop. Selten war der Begriff "Warm-up" treffender. Es eilt wirklich, denn die neue Rennwagengeneration hat völlig neue Reifen verpasst bekommen, eine radikal neue Aerodynamik samt verstellbarer Heckflügel und das wieder aktivierte hybridähnliche Zusatzschub-System Kers.

Selbst Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey, der gern länger als alle anderen über seinen Konstruktionen im Windkanal brütet, ist pünktlich zur Stelle. "Geniestreiche sind sehr schwer. Und sollte der Konkurrenz einer einfallen, werden wir reagieren", sagt der erfolgreiche Tüftler. In nur zehn Wochen ist der RB7 entstanden, den jetzt alle jagen - so wenig Entwicklung war nie.

Das beschleunigte Selbstbewusstsein spricht auch aus allen Gesichtern, zum ersten Mal sieht Vettel seinen neuen Dienstwagen an einem Stück. Den üblichen weiblichen Spitznamen hat er ihm noch nicht verpasst, zunächst soll nichts von der stolzen Eins ablenken. "Die Nummer ist mir eigentlich egal, aber sie sieht gut aus", sagt der jüngste Weltmeister der Geschichte. Und zum Design fällt ihm nur ein: "Ganz interessant. Doch ob es schön ist oder weniger schön, ist wurscht - Hauptsache, es ist schnell!" Und das ist es. Am Ende des Tages wird für Vettel die schnellste Trainingsrunde gestoppt.

Die Koketterie ist neu bei ihm, er betreibt sie aus der Gewissheit, dass ihm das Erreichte niemand mehr nehmen könne: "Es fühlt sich immer noch ziemlich gut an." Das klingt nach Klischee, aber innere Zufriedenheit und der ungekannte Reiz, jetzt ein Gejagter zu sein, bilden das Ying und Yang des Champions. "Wir sind vollgepumpt mit Lust, den Titel zu verteidigen", sagt der 23-Jährige. Aber man müsse diesmal vor allem früher und zuverlässiger punkten. Die Motivation hat etwas mit der Inneneinrichtung im Schweizer Bauernhof zu tun: "Man hat mir gesagt, dass die WM-Trophäe ein Wanderpokal ist und man sie zurückgeben muss. Also muss ich wirklich Gas geben, damit er bei mir zu Hause bleibt..."

Die deutsch-deutschen Herausforderer von Mercedes belassen es bei einer simplen Enthüllungsaktion: Plane runter, an die Arbeit! Der Airbrush-Look des MGP W02 für den zweiten Anlauf des selbst ernannten Dream-Teams ist garniert mit einer grell-grünen Schmuckfarbe. Das wirkt ziemlich giftig und soll auch so sein. Oben auf der Galerie des Boxengebäudes spenden ein paar Hundert Fans Beifall, die eigentlich wegen Fernando Alonso und Ferrari gekommen sind. Ein Transparent wird entrollt: "Michael, es ist Zeit für den achten Titel. Wir glauben an Dich".

Das ist der richtige Esprit für Testfahrten, auch wenn Sebastian Vettel gerade erst ausgeführt hat, dass es Gründe gebe, warum nur wenige Fahrer zwei oder drei Titel gewonnen hätten: "Ich gehe das ganze Schritt für Schritt an. Das kann man nicht planen."

Für Rekordweltmeister Schumacher beginnt mit dem MGP W02 das zweite Jahr seines Dreijahresplans. Nico Rosberg und er bekommen dafür ein kompromissloses Auto, Schnörkel sind nur in der Prospektlyrik des neuen Mercedes erlaubt: "Der neue Silberpfeil soll spitze aussehen und sich Schritt für Schritt bis zur Spitze entwickeln." Um kurz vor zwölf bleibt der Prototyp erst einmal liegen, ein Hydraulikschaden als Kinderkrankheit.

Es ist ein Riesenschritt von vier auf eins, den der kompakte Mercedes mit seiner Entennase schaffen muss, entsprechend radikal sind die Konstrukteure vorgegangen. Mercedes-Sportchef Norbert Haug teilt die Zuversicht, die vor allem Schumacher ausstrahlt. "Im vergangenen Jahr waren unsere Zutaten einfach nicht gut genug, aber es ist nur eine Frage der Zeit, dass wir gewinnen werden. Der Trend geht in die richtige Richtung." Genau ein Jahr lang wurde am Neuwagen gearbeitet.

Michael Schumacher, der den Silberpfeil nur 13 Sicherheitsrunden fahren konnte, bleibt Optimist: "Erster Eindruck: interessant, aber kurz. Ich habe keine Sorge, dass wir unsere Zielsetzungen nicht erfüllen können. Ich spreche nicht nur vom Podium, sondern auch von Siegen." Teamchef Ross Brawn allerdings sprach wegen der Panne von einem "frustrierenden Tag".

Nico Rosberg, der sich für den Fototermin wieder seines modischen Bartwuchses entledigt hat, wird vom Vorgesetzten klar als Siegfahrer eingestuft, wenn er die nötigen Zutaten dazu bekäme. Und Michael Schumacher habe Respekt verdient: "Ein Erfolg mit Mercedes wäre das i-Tüpfelchen seiner Karriere." Nur über das Scheitern, da mache er sich keine Gedanken, verrät Norbert Haug: "Druck ist Teil des Geschäfts. Aus Druck werden ja auch Diamanten."