Verbandspräsident Müller-Kallweit setzt auf Leistungssport

Hamburg. Wolfgang Kucklick, 76, ist das Gedächtnis des Hamburger Leichtathletik-Verbandes (HLV). Bei der Frage nach den bislang letzten Olympiastartern eines Hamburger Vereins muss der ehemalige Verbandspräsident (1977-92) dann doch in seinen Unterlagen nachblättern. 2004 in Athen schied Europameister Ingo Schultz von der TSG Bergedorf über 400 Meter im Halbfinale aus. Zuvor war es die HSV-Weitspringerin Christa Striezel, die 1976 in Montreal mit 6,09 Metern in der Qualifikation scheiterte. Als Medaillengewinnerin kehrte zuletzt die 400-Meter-Läuferin Inge Bödding von der LG Nord-West 1972 nach Hamburg zurück. Sie gewann in München Bronze mit der Staffel.

Das sind Daten einer Leichtathletik-Diaspora. Diesen Zustand zu beenden, haben sich Frank Thaleiser, 45, und Wolfgang Müller-Kallweit, 43, zum Ziel gesetzt. Thaleiser ist seit drei Jahren Geschäftsführer und Mastermind des HLV, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter Müller-Kallweit seit zwei Jahren dessen Präsident. Am Sonnabend stehen in der Leichtathletik-Trainingshalle an der Krochmannstraße Neuwahlen an. Mit der "Vision 2016/2020" werben der Präsident und sein Team für ihre Bestätigung im Amt. In Rio de Janeiro sollen in fünf Jahren Hamburger Leichtathleten um olympische Medaillen kämpfen.

Die Voraussetzungen dafür scheinen geschaffen. Die 2006 eingeweihte Halle in Winterhude bietet optimale Trainingsbedingungen, mit Weitsprung-Bundestrainer Uwe Florczak, dem neuen Landestrainer Klaus Jakobs, Nachwuchscoach Wulf-Axel Struckmeier und Talentsichter Julian Battmer hat der HLV hochqualifiziertes Personal mit dem Auftrag nach Hamburg geholt, Begabungen zu entdecken, zu fördern und an die Leistungsspitze zu führen. Die aktuellen Stars bezahlt der HSV: die Weitspringer Sebastian Bayer und Nadja Käther, Hürdensprinter Helge Schwarzer.

Weitere Module sind: Im August wird an der Heinrich-Hertz-Gesamtschule am Borgweg für 22 Fünftklässler eine Leichtathletik-Klasse eingeführt, die bis zum Abitur, das ist der Neunjahresplan, die Anforderungen von Training, Wettkämpfen und Unterricht kompatibel macht. An vier regionalen Stützpunkten sollen darüber hinaus in Kooperation mit ortsansässigen Vereinen Talentgruppen eingerichtet werden. "Die Strukturen stehen, jetzt hoffen wir, dass sich irgendwann Erfolge einstellen", sagt Müller-Kallweit. "Über den Leistungssport wollen wir die Leute wieder für die Leichtathletik begeistern und damit den Vereinen neue Mitglieder zuführen." Zum Leistungssport gehören ebenso Veranstaltungen. Weitsprung vor dem Rathaus oder Stabhochsprung in einem Einkaufszentrum hält Müller-Kallweit für realisierbar, eine deutsche Meisterschaft in der Jahnkampfbahn sei seine Vision. Angefangen wird jetzt mit einem U-20-Länderkampf zwischen Deutschland, Italien und Frankreich. Der steigt am 5. März in der Winterhuder Trainingshalle.

Das Konzept, das einem Aufbruch gleicht, hat auch Kritiker wie Jürgen Krempin, 52, milde gestimmt, der erwogen hatte, am Sonnabend gegen Müller-Kallweit zu kandidieren. Inzwischen kann sich der ehemalige Trainer von Ingo Schultz auch vorstellen, sich als Vizepräsident Leistungssport zu integrieren. "Es geht mir nicht um ein Amt", sagt Krempin, "ich möchte vor allem, dass die Interessen der Vereine ausreichend berücksichtigt werden."

Ingo Schultz, 35, wird am Sonnabend mit dem Hermann-Seiffart-Gedächtnispreis ausgezeichnet. Er wird verdienten ehemaligen Athleten verliehen.