Interview mit Box-Funktionär Artur Ellensohn über Ringrichter, Ringärzte und die Nehmerqualitäten eines Shannon Briggs

Hamburg. Schwergewichtsboxweltmeister Wladimir Klitschko verteidigt am Sonnabend, 22.15 Uhr, RTL, in Mannheim seine Titel gegen Dereck Chisora. Dem Briten werden Nehmerfähigkeiten nachgesagt wie Shannon Briggs (USA), den Vitali Klitschko am 17. Oktober in Hamburg nicht zu Boden, aber ins Krankenhaus geschickt hatte. Die Diskussion, ob der Kampf wegen diverser schwerer Kopftreffer hätte abgebrochen werden müssen, flammt jetzt wieder auf, da der nächste Klitschko in den Ring steigt. Das Abendblatt sprach mit Artur Ellensohn, 60, Vizepräsident Sport des Bundes Deutscher Berufsboxer, über die Möglichkeiten eines Kampfabbruches und über den Verdacht, dass Briggs gedopt war.

Abendblatt:

Herr Ellensohn, wer hat die Macht, einen Kampf abzubrechen?

Artur Ellensohn:

Allein der Ringrichter. So steht es in den ABC-Regeln des Boxens, die die vier bedeutenden Weltverbände allesamt anerkennen.

Wann muss ein Ringrichter abbrechen?

Ellensohn:

Wenn er der Meinung ist, dass ein Kämpfer nicht mehr in der Lage ist, sich zu wehren oder gegen die Schläge des Gegners zu schützen.

Welche Möglichkeiten haben die Supervisoren der Weltverbände, um auf den Ringrichter einzuwirken?

Ellensohn:

Sie können in jeder Rundenpause eine Empfehlung aussprechen. Sie tun das kaum, weil sie oft nicht die Erfahrung eines Ringrichters haben.

Welche Einflussmöglichkeiten haben die Ringärzte auf den Ringrichter?

Ellensohn:

Der Ringarzt kann in jeder Rundenpause eingreifen, um einen Boxer zu untersuchen. Beim WBC gibt es die Möglichkeit, dass er dem Ringrichter während des Kampfes signalisiert, ob er einen Abbruch befürworten würde. Die Grüne Karte heißt, es kann weitergehen, die Rote, dass man abbrechen sollte. Allerdings hat der Ringarzt keinerlei Befugnis, den Abbruch zu befehlen. Er kann ihn lediglich empfehlen.

Wäre es sinnvoll, den Ringarzt zu verpflichten, bei jedem Verdachtsfall prophylaktisch in jeder Pause den betreffenden Boxer zu untersuchen?

Ellensohn:

Nein. Das würde die Betreuer in der Ecke in der Ausübung ihrer Arbeit hindern, weil die Zeit zur Erholung, das ist eine Minute, ja mit der für die Untersuchung verrechnet wird.

Briggs' Manager hatte Ringrichter Ian John Lewis angewiesen, den Kampf bis zum Äußersten laufen zu lassen. Ist so etwas statthaft?

Ellensohn:

Natürlich nicht. Es wäre erschütternd, wenn Briggs eine solche Autorität hätte, dass seine Ecke ihn lieber ins Verderben laufen ließe, als ihn zu schützen. Und ein Ringrichter wie der Brite Lewis, der zu den Top Ten der Welt zählt, würde sich nie von solch einer Ansage beeindrucken lassen. Lewis hat einen guten Job gemacht.

Hätten Sie den Kampf abgebrochen?

Ellensohn:

Mich bewegt eine andere Sache: Warum ist Briggs von den vielen harten Treffern nicht zu Boden gegangen. Da muss ich mich schon fragen, ob da nicht doch nachgeholfen wurde.

Sie vermuten Doping?

Ellensohn:

Das Problem ist, dass Briggs keine Dopingprobe abgeben konnte, weil er kurz davor in seiner Kabine kollabierte. Wir haben dies dem WBC gemeldet, das für die weiteren Schritte verantwortlich ist. Aber bislang habe ich nichts mehr gehört. Wir werden die Auflösung wohl nie erfahren.