Alina Fischer übernimmt im umformierten Team der Hockeydamen des HTHC mehr Verantwortung

Hamburg. Am vergangenen Sonnabend, es lief die zweite Hälfte des Hallenhockey-Bundesligaspiels zwischen dem Großflottbeker THGC und dem Harvestehuder THC, bekam Alina Fischer kurz vor der Mittellinie in der eigenen Spielfeldhälfte den Ball. Sie schaute kurz, nahm Tempo auf, umkurvte eine Gegenspielerin, ließ zwei weitere ins Leere laufen und lupfte die Kunststoffkugel über die herausstürzende Torhüterin neben den Innenpfosten ins Tornetz. Man bekommt solche Tore nicht allzu häufig zu sehen im Damenhockey, und Alina Fischer darf deshalb mit Fug und Recht auf die Frage nach ihrer größten Stärke behaupten: "In der Halle bin ich ein Wirbelwind."

Seit die gebürtige Hannoveranerin 2005 zum Jurastudium nach Hamburg kam, spielt sie für den HTHC, doch so richtig ins Blickfeld gerückt ist die 24-Jährige erst in diesem Sommer. Ein Totalumbruch, bedingt durch den Abgang des langjährigen Trainers Peter Krueger zum Klipper THC, verschob die Strukturen der Mannschaft. Leistungsträgerinnen wie Nationaltorhüterin Kristina Reynolds, Maryna Vynohradova, Gylla Rau und Frida Warnholtz verließen das Team, das 2007 die deutsche Hallenmeisterschaft gewonnen hatte. Jüngere Talente wie Fischer rückten nach - und mussten Verantwortung übernehmen. Während im Feld Abstiegskampf angesagt ist, weil dem Kader in der Breite Qualität fehlt, klappt die neue Ordnung in der Halle bislang perfekt. Mit drei Siegen aus drei Spielen führen die Schwarz-Gelben die Tabelle an und können am Wochenende mit Siegen über Eintracht Braunschweig (Sa) und den punktgleichen Tabellenzweiten Club an der Alster (So, beide 16 Uhr, Barmbeker Straße) einen entscheidenden Schritt in Richtung Viertelfinalqualifikation machen.

"Wenn wir sechs Punkte holen, haben wir unser Saisonziel, den Klassenerhalt, geschafft und können uns neue Ziele stecken", sagt Fischer. Die Offensivspielerin glaubt, durch das Mehr an Verantwortung einen wichtigen Schritt in ihrer sportlichen Entwicklung gemacht zu haben. "Ich war früher sehr impulsiv, habe wilde Aktionen gemacht und mich im Sturm ausgelebt, weil ich einfach gern zocke. Jetzt halte ich mehr den Ball und versuche gezielt, das Spiel aufzubauen und zu beruhigen", sagt sie.

Die Disziplin, die der neue Coach Stephan Platz dem Team einzuimpfen versuche, sei auch für sie ein wichtiger Faktor geworden. "Ich denke jetzt mehr defensiv als offensiv, weil das in der Taktik, die wir spielen, gar nicht anders möglich ist", sagt sie. Dennoch ärgert sie sich maßlos über die wiederkehrende Kritik der Gegner am Spielstil des HTHC. "Wir haben das Image, nur zu mauern und das Spiel zu zerstören. Aber der Erfolg gibt uns recht, und man schießt nicht die zweitmeisten Tore der Liga, wenn man nur hinten drin steht", sagt sie, genervt davon, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen.

Anwältin in eigener Sache will Alina Fischer nicht sein, ihr Berufsziel - Richterin oder Staatsanwältin, das Erste Staatsexamen steht im Februar an - verfolgt sie hingegen mit dem Ehrgeiz, der ihr für die ganz große internationale Hockeykarriere gefehlt hat. Das technische Talent dazu hätte sie allemal, an Einsatzwillen fehlt es auch nicht, doch zu mehr als dem EM-Titel mit der U-16-Auswahl hat es nicht gereicht. "Ich hatte irgendwann keine Lust mehr auf die vielen Athletiktests, weil mir stupides Laufen nie Spaß gemacht hat", sagt sie. An ihrem Freund, HTHC-Nationalspieler Tobias Hauke, könne sie sehen, wie viel Entbehrungen es bedeute, auf höchstem Niveau Hockey zu spielen. "Ich ziehe davor meinen Hut, aber ich weiß, dass ich das nicht könnte."

Für Alina Fischer ist Hockey nicht Lebensinhalt, sondern Gegenpol zum Studium, "weil es um drei Punkte geht statt um Paragrafen". Hockey pustet ihr den Kopf frei. Für den Wirbelwind sorgt sie dann selbst.