Der Schwergewichtsweltmeister über seinen Boxstil und angebliche Knebelverträge.

Going. Vor dem Panorama des verschneiten Wilden Kaisers gab Wladimir Klitschko am Mittwochnachmittag eine Premiere bekannt. Am 11. Dezember verteidigt der 34 Jahre alte Ukrainer, der sich derzeit im Trainingslager im Promi-Hotel "Stanglwirt" vorbereitet, seine IBF- und WBO-Titel im Schwergewicht in der Mannheimer SAP-Arena gegen den Briten Dereck Chisora, 26. Am Kampfabend werden erstmals zwei Privatpersonen seine WM-Gürtel in den Ring tragen. Die Tochter des ukrainischen Fußballverbandspräsidenten Grygory Surkis und der Schweizer Geschäftsmann Hans-Dieter Cleven ersteigerten diese Ehre für 430 000 Euro, die in die Stiftung Powerchild und die Klitschko Foundation fließen. "Das ist eine tolle Aktion, über die ich mich sehr freue", sagte der Champion, ehe er die Fragen der Medienvertreter gewohnt souverän beantwortete.

Abendblatt:

Herr Klitschko, Dereck Chisora hat erst 14 Profikämpfe absolviert und ist nur Insidern bekannt. Stört es Sie, dass deshalb über Ihre Gegnerwahl gelästert wird?

Wladimir Klitschko:

Überhaupt nicht, denn die meisten kennen Chisora eben zu wenig, um ihn beurteilen zu können. Ich habe alle seine Kämpfe und Interviews studiert, und er ist der frechste Herausforderer, den ich je hatte. Er lässt sich nicht beeindrucken und glaubt tatsächlich daran, dass er mich schlagen kann. Auch wenn viele Chisora nichts zutrauen: Wenn ich ihn nur eine Sekunde unterschätze, habe ich verloren. Ich muss ihn mental und physisch brechen, und das ist genau die Herausforderung, die ich mir immer wünsche.

Der Kampf, den sich die Fans weltweit wünschen, ist der gegen WBA-Champion David Haye. Glauben Sie, dass es 2011 dazu kommen wird?

Klitschko:

Ich hoffe es, aber ich habe keinen Druck. Als David Haye meinen Bruder Vitali und mich vor zwei Jahren mit diesem widerlichen T-Shirt provoziert hat, das unsere abgeschlagenen Köpfe zeigt, da war ich sehr wütend und wollte es ihm unbedingt heimzahlen. Jetzt sehe ich es locker. Haye braucht die Klitschkos, nicht umgekehrt. Wenn er nicht gegen uns antritt, macht er sich zum größten Clown des Boxens. Aber ich habe genügend interessante Gegner, über die ich reden werde, wenn ich Chisora besiegt habe.

Haye, aber auch andere Gegner behaupten, Sie würden Knebelverträge anbieten. Tun Sie das?

Klitschko:

Das ist wirklich absoluter Unsinn. Unsere Verträge sind die ganz normalen Verträge, die alle Weltmeister den Herausforderern anbieten. Darin gibt es Optionen auf drei Kämpfe, mehr nicht. Ich musste auch solche Verträge unterschreiben, als ich Herausforderer war. Man muss damit leben, dass der Weltmeister das Recht hat, so etwas zu diktieren. Viele meiner Gegner haben diese Verträge problemlos unterschrieben, Chisora hat in weniger als einer Stunde zugesagt! Wir haben Haye angeboten, alle Einnahmen 50:50 zu teilen. Das ist mehr als fair, schließlich habe ich zwei Titel und die weitaus größeren Kämpfe im Schwergewicht gemacht. Wenn er das nicht akzeptiert, dann wird der Kampf eben nicht kommen.

Gegen Chisora haben Sie kaum etwas zu gewinnen. Schlagen Sie ihn klar, heißt es, er war nur Fallobst. Knocken Sie ihn nicht aus, sind Sie zu zögerlich. Verlieren Sie, sind Sie der Depp. Was treibt Sie an?

Klitschko:

Jeder Gegner ist gefährlich. Es mag manchmal einseitig aussehen, aber doch nur, weil ich mich zu 100 Prozent auf meine Aufgabe vorbereite und jeden Gegner ernst nehme. Mein Antrieb ist der, dass ich mich jeden Tag verbessern möchte. Ich bin sicher, dass ich noch längst nicht alles gezeigt habe, was ich drauf habe.

Stört Sie denn die Kritik, Ihre und die Kämpfe Ihres Bruders seien langweilig und immer gleich, gar nicht?

Klitschko:

Ich nehme die Kritik gerne an, aber am Ende zählt nur das Ergebnis, und das spricht bei uns beiden für sich selbst. Unser Kampfstil mag nicht immer attraktiv sein, aber er ist sehr effektiv. Ich möchte meine Stärken ausnutzen, und dazu gehört eben, nicht getroffen zu werden, andererseits aber den Gegner mit jedem Schlag zu treffen und ihn auszuknocken, wenn sich die Chance bietet. Boxen ist für mich zu einer Art Schachspiel geworden. Früher hatte ich keinen Plan, sondern bin nach Instinkt und Gefühl auf den Gegner losgegangen. Heute geht es mir um die Kunst, keinen Schlag zu bekommen. Es ist die Suche nach der Perfektion, die ich anstrebe, die mich antreibt.