Zwei Jahre nach der Olympia-Enttäuschung rudert der Hamburger Bastian Seibt im leichten Vierer um eine WM-Medaille in Neuseeland.

Hamburg. Ein paar Stunden nach dem Gespräch meldet sich Bastian Seibt noch mal am Telefon. Er habe sich zuvor vielleicht missverständlich ausgedrückt, nicht dass noch jemand denke, er sei unzufrieden mit seiner Arbeit. Er sei nur auf der Suche nach einer Herausforderung gewesen. So hat also alles begonnen damals, im Herbst 2009, oder besser: So fing alles wieder an.

Mit dem Rudersport nämlich hatte Seibt, 32, vor zwei Jahren ja bereits abgeschlossen. Er hatte es im Leichtgewichtsvierer ohne Steuermann zu den Olympischen Spielen in Peking geschafft, und auch wenn sie mit einer großen Enttäuschung endeten, weil die gesamte Besatzung nach dem Vorlaufsieg an einem Virus erkrankte, so hatte der Hamburger doch das Gefühl, das Mögliche erreicht zu haben für einen, der erst mit 23 den Leistungssport für sich entdeckte: "Ich gehörte sechs Jahre zum Nationalteam und war einmal Weltmeister. Da kann man sich nicht beschweren."

Aber dann, als Rudern längst nur noch ein frühmorgendliches Hobby neben vielen anderen war, kam dieses Gefühl zurück, das Seibt auf dem Weg nach Peking fast verloren gegangen war: Spaß. Und es war stark genug, um den Mann vom Hamburger und Germania-Ruder-Club zum Lake Karapiro nach Neuseeland zu führen, wo an diesem Sonntag die Weltmeisterschaften beginnen.

Manchmal wundert sich Seibt selbst darüber: "Eigentlich wollte ich es in dieser Saison ruhig angehen lassen." Die Ausdauer war immer noch da. Seibt hatte sie mit Beachvolleyball, Radfahren und Laufen so hoch gehalten, dass er für den Hamburger Marathon im Frühjahr vergangenen Jahres lediglich 3:13 Stunden benötigte. Und die Leichtgewichtsklasse zu halten, ist dem 1,87-Meter-Mann ohnehin nie schwergefallen. Die maximal zulässigen 72 Kilogramm habe er erst einmal überschritten - nach einer ausschweifenden Party.

Als dann im leichten Vierer plötzlich ein Rollsitz frei wurde, weil sich Matthias Schömann-Finck einen Bandscheibenvorfall zuzog, saß Seibt plötzlich wieder auf seinem alten Platz im Bug. Wie bei Olympia sieht er nun die Saarbrücker Jost Schömann-Finck, Jochen und Martin Kühner vor sich, die zwischenzeitlich ohne ihn Weltmeister wurden.

Den Titel zu verteidigen wird schwierig genug: "Im Ziel wird wohl alles innerhalb einer Bootslänge durchgehen." Umso verblüffter war Seibt, wie leicht das Boot bei den Europameisterschaften im September in Portugal zur Goldmedaille glitt. Schon zur Hälfte nach 1000 Metern hatte das deutsche Boot eine Länge Vorsprung auf die Konkurrenz, "so etwas habe ich noch nie erlebt". Der Weltcupsieger Großbritannien freilich war nicht vertreten, wie überhaupt die EM im Rudern nicht viel mehr als eine Trostrunde ist. In diesem Jahr aber haben viele Nationen den Wettkampf genutzt, um ihre besten Boote im Hinblick auf die ungewöhnlich späte WM in Schwung zu bringen.

"Eine Medaille", sagt Seibt, "das wäre es." Es wäre seine erste in einer olympischen Klasse, nachdem er 2007 in München das Finale verpasst hat. Die Goldmedaille 2003 hat Seibt im leichten Achter gewonnen. In dem Großboot könnte für ihn auch in Neuseeland wieder etwas abfallen: In Anbetracht der weiten Anreise verzichtete der deutsche Verband aus Kostengründen auf eine eigene Besatzung.

Auch Lars Wichert vom RC Allemannia wurde für den Achter nominiert. In dem Studenten Wichert, 23, hat Seibt einen neuen Partner für den Zweier gefunden und in Bundestrainer Marcus Schwarzrock, 43, einen Hamburger Coach. "Die kurzen Wege haben das Training im Winter und im Frühjahr erheblich erleichtert", sagt Seibt. Und sie ermöglichten es ihm, dem Leistungssport mit mehr als 20 Stunden Training einen angemessenen Platz in seinem Leben einzuräumen, das doch eigentlich ausgefüllt genug sein sollte mit einer Vollzeitstelle als Immobilienverwalter bei der Hafenunternehmensgruppe Buss und einem Abendstudium in Business Administration. Aber nicht für einen wie ihn.

Es sei nicht so, dass ihn das alles nicht ausgelastet hätte, sagt Bastian Seibt. Er wollte es nur noch einmal mit den Besten der Welt aufnehmen: "Ohne diese Herausforderung war es nicht mein Leben." Da ist einer bei sich selbst angekommen.