Golfprofi Martin Kaymer könnte am Sonntag Tiger Woods in der Weltrangliste ablösen

Berlin. Als im April 1986 erstmals die Golfweltrangliste veröffentlicht wurde, wackelte Martin Kaymer noch auf unsicheren Beinen durch das elterliche Wohnzimmer. Ein Jahr und vier Monate war er alt, als Bernhard Langer zur ersten Nummer eins der Golfwelt ausgerufen wurde. Er ist bis heute der einzige Deutsche, der jemals auf diesem Thron saß. Sonntag könnte es einen zweiten geben: Kaymer.

Der ist mittlerweile 25 Jahre alt und will in Spanien aus einer überragenden eine perfekte Saison machen. Kaymer muss beim heute beginnenden Andalucia Masters Erster oder Zweiter werden, um vom dritten auf den ersten Platz der Rangliste zu springen. Dort steht Tiger Woods. Zementiert seit rund fünfeinhalb Jahren, 282 Wochen, um genau zu sein (siehe Statistik). Insgesamt erlebt Woods derzeit seine 623. Woche als Nummer eins. Zum Vergleich: Die Rekordhalter im Tennis sind Pete Sampras mit 286 und Steffi Graf mit insgesamt 377 Wochen.

Doch der Amerikaner spielte nach seinen privaten Problemen eine schwache Saison ohne Turniersieg und wird Platz eins am Montag so oder so verlieren. Er nimmt es gelassen. "Viel wichtiger ist es mir, endlich mein Spiel wiederzufinden. Und das wird mir bald gelingen, ich bin auf einem guten Weg", sagt Woods. Statt seiner wird erstmals seit Nick Faldo 1996 wieder ein Europäer an der Spitze stehen: der Engländer Lee Westwood oder eben Kaymer.

"Ich empfinde Demut und Dankbarkeit", kommentiert der Profi aus Mettmann die Chance: "Ich werde alles dafür tun, der Gedanke daran spielt in meiner Turniervorbereitung aber derzeit keine Rolle." Er habe sich in diesem Jahr weiter verbessern wollen, und das sei ihm gelungen: "Ich habe hoffentlich noch viele Karrierejahre vor mir und möchte mich auf lange Sicht in der Weltspitze etablieren." Und überhaupt sei eigentlich Westwood im Moment der beste Spieler der Welt: "Für mich ist er derzeit die Nummer eins."

Kaymer und Westwood hatten beim Ryder Cup im europäischen Team gestanden und gemeinsam zwei Doppel gespielt. Eines gewannen sie, eines endete unentschieden, in beiden Spielen war Westwood der dominierende Mann. Abseits des Ryder Cups kann es aber nur einen geben: Kaymer, der herausragende Spieler dieser Saison. Er gewann mit der PGA Championship sein erstes Major-Event. Als einziger Profi konnte er auf den großen Touren vier Turniere gewinnen. Als Einziger siegte er dreimal am Stück. Er führt die Geldrangliste der Europa-Tour mit einer Million Euro Vorsprung auf Rang zwei an und stände mit seinem Verdienst selbst auf der weitaus lukrativeren US-Tour noch auf Rang fünf. Pro Schlag auf der Europa-Tour hat er in diesem Jahr 708 Euro verdient. Und allein sein schottischer Caddie Craig Conelly, seit Mai in Diensten Kaymers, hat laut der Zeitung "The Herald" im vergangenen halben Jahr 240 000 Euro eingenommen. Wäre Conelly Golfer, stünde er mit dieser Summe auf Rang 100 der Geldrangliste und wäre für die kommende Saison auf der Europa-Tour qualifiziert.

"De Facto ist Martin Kaymer längst die Nummer eins", schreibt das angesehene US-Magazin "Golf Digest" und mosert, dass der Modus, die Weltranglistenpunkte über zwei Jahre zu sammeln, Quatsch sei. Würden die Punkte im Zeitraum von zwölf Monaten einfließen, wäre der Deutsche vorn.

Kaymer kann es egal sein. Wenn er so weiterspielt wie zuletzt, führt an ihm kein Weg vorbei. Und er will so weiterspielen. "Es gibt eine Menge Spieler, die mal ein großes Turnier gewinnen, und dann hört man nicht mehr wirklich etwas von ihnen", sagt Kaymer. Er habe anderes im Sinn: "Ich möchte mehr große Turniere, mehr Majors gewinnen. Mein größtes Ziel ist es, einmal bei den British Open zu siegen."

Zunächst einmal steht aber das drei Nummern kleinere Andalucia Masters an. Das Feld ist stark besetzt. US-Open-Champion Grame McDowell (Nordirland), der in dieser Saison dreimal siegreiche Miguel Angel Jimenez sowie Sergio Garcia (beide Spanien) gehen an den Start. Die Buchmacher aber haben einen klaren Favoriten: Kaymer.

Sollte der Deutsche tatsächlich Platz eins der Weltrangliste erklimmen, hätte sein Vorgänger recht behalten. Bernhard Langer prognostizierte schon vor Monaten, dass Kaymer bereit für die Nummer eins sei: "Martin hat den richtigen Kopf auf den Schultern und nimmt seinen Beruf ernst."