Die Olympiasiegerin macht mit ihrem ersten Sieg im Skiweltcup Lust auf die Heim-WM

Sölden. Franz Beckenbauer, 65, hätte in diesem Moment wohl so etwas wie "Geht's raus, und fahrt's Ski!" gesagt. Felix Neureuther, 26, hielt es ähnlich wie sein Bundeslandsmann und riet allen Nörglern vor dem zweiten Riesenslalom-Durchgang gestern in Sölden: Schluss mit dem Wehklagen über die rumpelige Piste am Rettenbachferner!

"Du darfst hier nicht rumjammern, sondern musst einfach konsequent fahren, dir was zutrauen, und dann passt das", dozierte Neureuther fröhlich, nachdem er als 17. des ersten Laufs ein ziemlich passables Resultat zuwege gebracht und sich für den zweiten Lauf volle Attacke vorgenommen hatte. Allein: Dazu kam es gestern nicht mehr. Anhaltend starker Nebel führte zunächst zu Verschiebungen, bis die Organisatoren das erste Rennen der alpinen Weltcupsaison ganz abbliesen. Gewertet wird es nicht.

Eine Podestenterung von Neureuther wäre aber ohnehin eher unwahrscheinlich gewesen bei 1,64 Sekunden Rückstand auf den führenden Cyprien Richard aus Frankreich. Dafür sind im Deutschen Skiverband (DSV) - zumindest außerhalb des Slaloms - nach wie vor die Frauen zuständig.

Am Sonnabend hatten sie durch Kathrin Hölzl, 26, Viktoria Rebensburg, 21, und Maria Riesch, 25, im Riesenslalom eine Dreifachführung nach dem ersten Durchgang gehalten, die nach dem zweiten in einen Triumph von Olympiasiegerin Rebensburg, einen zweiten Platz von Hölzl und einen fünften Rang von Doppelolympiasiegerin Riesch mündete. "Drei unter den besten fünf ist Wahnsinn", gluckste Rebensburg und machte eine angenehme Lockerheit als mitverantwortlich aus: "Wir fahren alle relativ stressfrei, das hat den Unterschied ausgemacht."

Österreichs Frauen-Cheftrainer Herbert Mandl foppte jedenfalls schon mal die Rivalinnen aus Deutschland, nachdem Kathrin Zettel als Siebte seine Beste gewesen war: "Wir lassen die Deutschen in Sölden gewinnen - und schlagen dann in Garmisch zurück." Dort werden im Februar Weltmeisterschaftsmedaillen vergeben, und für die Österreicher sind die Wettkämpfe in Bayern "wie eine Heim-WM", sagt Alpinchef Hans Pum.

Weil das alles aber noch Schnee von morgen ist, definieren die DSV-Frauen ihren Start in den Winter zunächst als gelungen, ohne gleich übermütig zu werden. Rebensburg etwa deutete ihren ersten Sieg im Weltcup als "endgültigen Beweis, dass mein Olympiasieg in Whistler kein Ausrutscher war". Ein "Makel" (Rebensburg) ist also getilgt. Und Riesenslalom-Weltmeisterin Hölzl registrierte zufrieden, dass ihr rätselhaftes Muskelleiden, das den Sommer über Krafttraining unmöglich gemacht und sie fast unerträglich gepiesackt hatte ("Ich hatte extreme Schmerzen"), flüssigen Schwüngen nicht im Weg steht.

Thomas Stauffer, 41, neuer Cheftrainer in Diensten des DSV, mag die Ergebnisse vom Sonnabend - die 19-jährige Lena Dürr wurde zudem 14., obwohl ihr im ersten Lauf früh ein Stock abhandengekommen war - nicht überbewertet wissen, nahm die "Standortbestimmung" jedoch mit Wohlwollen zur Kenntnis: "Wir wissen jetzt, dass wir vorn mitmischen können. Die Gejagten sind wir, aber ich glaube, wir sind stark genug, in dem Wettbewerb zu bestehen. In Levi werden wieder Spitzenplätze erwartet." In dem finnischen Wintersportort gastiert der Weltcupzirkus in drei Wochen mit Slalomwettbewerben.

Viktoria Rebensburg wird dabei nicht eingesetzt werden, sie fährt in dieser Saison Riesenslalom und Speeddisziplinen. Die Siegerin vom Sonnabend, im Sommer durch den Bruch eines Daumens gehandicapt, verordnete sich selbst Gelassenheit: "Sölden war erst das erste Rennen. Ich muss sehen, dass ich jetzt auf dem Boden bleibe."

Es ist davon auszugehen, dass notfalls ihre Trainer dafür sorgen werden - oder ihre Teamkolleginnen. Wieder werden sich die deutschen Frauen voraussichtlich mit Spitzenresultaten "gegenseitig pushen", wie Rebensburg sagt. Sie findet: "Die Heim-WM steht vor der Tür - aber wir brauchen uns nicht zu verstecken."

Für Felix Neureuther dagegen wird die WM in Levi erst richtig beginnen. "Man muss ja nicht im Vorfeld immer sagen, dass man fährt wie ein Gott oder was weiß ich alles, sondern eher mal bisschen tieferstapeln, und dann kommt ein gutes Ergebnis auch raus." Das hätte Franz Beckenbauer nicht besser sagen können.