Der Grand-Prix-Zirkus erlebt bei seiner Premiere in Südkorea ein Festival der Peinlichkeiten

Yeongam. Die Fahrer wohnen in Stundenhotels, das Gelände ist eine Großbaustelle, der Asphalt könnte das Rennen zum Glücksspiel machen: Die Königsklasse des Motorsports erlebt bei der WM-Premiere in Südkorea ein Festival der Peinlichkeiten. Oder, wie es das Schweizer Boulevardblatt "Blick" mit derbem Vokabular auf den Punkt brachte: "Die Formel 1 ist am Arsch der Welt angekommen." Rund 40 Stunden vor dem ersten freien Training bäumen sich über sämtlichen Tribünen riesige Kräne auf, das Militär schraubt und hämmert an den Zuschauerrängen, ein paar Meter weiter steht eine halbe Brücke. Alles wirkt improvisiert, ja unwürdig. Auch das gesamte Umfeld.

Allein die Situation bei den Unterkünften ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Manche Teams logieren in Stundenhotels in der 60 000-Einwohner-Stadt Mokpo. Zwischen schmuddeligen Videokassetten auf dem Gang und zwielichtigem Publikum im Nebenzimmer sollen sich die Fahrer professionell auf ein WM-Rennen vorbereiten.

Der Kurs selbst ist rechtzeitig fertig geworden, doch an seiner Qualität gibt es große Zweifel. Ist der Asphalt, auf dem vor nicht einmal zwei Wochen noch Dampfwalzen fuhren, ausgehärtet? Hat er schon genug Haftung? Dass bei der Abnahme in der Vorwoche eine geschlossene Asphaltdecke lag, schien Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone zu genügen, um den Ausfall eines Rennens und hohe Schadenersatzklagen von Fernsehanstalten und Sponsoren zu vermeiden.

Doch noch am Mittwoch herrschte rund um die irgendwo im Nirgendwo gebaute Rennstrecke hektisches Treiben; an Parkplätzen, Zufahrtsstraßen und Tribünen wurde herumgewerkelt. Überall riecht es nach heißem Asphalt.

Um die Koreaner im Boot zu halten, haben die Promoter ihre Grundsätze über Bord geworfen. Normalerweise muss eine Strecke zwei bis drei Monate vor dem Start abgenommen werden, der Kurs direkt am Meer in Yeongam erhielt erst in der Vorwoche das Okay. Allein die Anreise ist ein Abenteuer. Der nächstgelegene Großflughafen in Seoul ist 400 Kilometer entfernt. Zubringerbusse mussten kurz vor dem Ziel umkehren, weil Straßen nicht fertig waren, Internet- und Telefonleitungen brachen wieder und wieder zusammen.

Das Chaos hatte sich abgezeichnet: Promoter Chung Yung-cho hat sich den Ruf erworben, beratungsresistent zu sein. Gerüchte über eine mögliche Absage gab es praktisch seit dem Tag, an dem Yeongam im WM-Kalender auftauchte. Und die koreanische Bevölkerung hat offenbar gar nicht realisiert, dass das Rennen wirklich stattfindet. Im 15 Kilometer entfernten Mokpo wissen die meisten Bewohner nichts von dem Großevent am Wochenende, im Stadtbild weisen nur zwei Banner an großen Brücken darauf hin. Somit droht auch auf den 130 000 Zuschauer fassenden Tribünen gähnende Leere.