Box-Trainer Fritz Sdunek über seinen Weltmeister Klitschko und seine Trennung von Universum

Hamburg. Manchmal kann Fritz Sdunek selbst nicht glauben, was er sieht und hört. Als im Herbst 1996 die Schwergewichtsboxer Vitali und Wladimir Klitschko nach Hamburg kamen, um ihre Profikarriere beim Universum-Stall zu beginnen, da war Sdunek als Cheftrainer derjenige, der die beiden Ukrainer unter seine Fittiche nahm. 14 Jahre später ist er noch immer Vitalis Coach, an diesem Sonnabend (22.15 Uhr/RTL) sitzt er in der Ecke, wenn der 39-Jährige seinen WBC-WM-Titel in der O2-World gegen Shannon Briggs (USA) verteidigt. Doch obwohl sich die beiden so lange kennen und vertrauen, entdeckt der Trainer immer noch neue Eigenschaften an seinem Schützling.

"Vitali ist ein ganz anderer Mensch als vor 14 Jahren", sagt der Mecklenburger. "Früher war er hektisch, verbissen und ernst, er witterte hinter jeder Frage eine Falle und konnte sich nur schwer neuen, ungewohnten Dingen öffnen. Heute ist er ein lockerer und weltoffener Typ." Vor allem die Professionalität, mit der der ältere Klitschko-Bruder seine Ziele verfolgt, imponiert Sdunek. "Er trainiert viel akribischer und zielgerichteter als früher, kennt seinen Körper ganz genau, vertraut aber trotzdem auf den Rat seines Teams", sagt er. Wo er früher oft endlose Diskussionen um Trainingsinhalte führte, reibt sich der promovierte Sportwissenschaftler heute nicht mehr in Kleinigkeiten auf. "Wir haben jetzt mehr Spaß im Training, weil wir beide die gemeinsame Zeit als Bonus sehen", sagt Sdunek.

Es ist eine Aussage mit ernstem Hintergrund, schließlich wäre die gemeinsame Zeit des Duos schon mehrfach fast vorbei gewesen. Der Boxer hatte seine Laufbahn im Herbst 2005, gut ein Jahr nach der Trennung von Universum, wegen chronischer Verletzungsprobleme beendet, war dann jedoch drei Jahre später triumphal zurückgekehrt. Der Trainer dagegen hätte seinen Job Ende des vergangenen Jahres beinahe aufgeben müssen. Schlimmste Schmerzen in den Hüften machten Boxtraining nur unter Einsatz von Medikamenten möglich, zudem litt der 63-Jährige an den Folgen einer Herzerkrankung. Seinen Posten bei Universum musste er aufgeben, die Arbeit mit Klitschko, "Priorität Nummer eins", wollte er sich nicht nehmen lassen. Heute, nachdem er zwei neue Hüftgelenke eingesetzt bekommen hat, ist Sdunek fit genug, um sogar WBA-Mittelgewichts-Champion Felix Sturm, 31, trainieren zu können, der sich ebenfalls von Universum losgesagt hat.

Dennoch hat er heute genug Phasen, in denen er seinem strapazierten Körper Erholung gönnen kann. Daran hatte es in den letzten Jahren bei Universum gehapert, sodass Sdunek seinen vielen Sportlern nicht in der nötigen und üblichen Intensität zur Verfügung stehen konnte. Dass von verschiedenen Seiten gestreut wurde, seine Athleten hätten sich darüber intern beklagt, hält er jedoch für "eine Lüge, um die Trennung plausibel erscheinen zu lassen". Über die Art und Weise seiner Trennung von Universum ist Sdunek bis heute traurig. Dass man ihn nie öffentlich verabschiedet hat und auch kein Wort des Dankes oder des Bedauerns verlautete, schreibt er der Tatsache zu, "dass ich kein Jasager bin, sondern den Chefs und auch meinen Trainerkollegen und Sportlern immer offen die Meinung gesagt habe".

Besonders traurig ist er, dass sich das Verhältnis zu seinem langjährigen Kompagnon Michael Timm verschlechtert hat, nachdem er dessen einstigen Vorzeigeathleten Sturm übernommen hatte. "Ich kann verstehen, dass Timmi traurig ist, Felix verloren zu haben. Aber dass er jetzt über mich lästert, hätte ich nie erwartet. Ich habe ihn stets unterstützt, habe ihn zu Universum geholt und alles getan, damit er Fuß fassen kann." Möglicherweise sei es für die verbliebenen Trainer bei Universum wichtig, aus seinem Schatten zu treten und sich vom einstigen "Übervater" zu emanzipieren. "Aber ich habe nie versucht, die anderen klein zu halten, sondern sie immer als wichtige Kollegen und Partner betrachtet", sagt er.