Erstmals hat der Meistertitel für den Hockeyklub höhere Priorität

Hamburg. Es war ein Gespräch mit erstaunlichem Inhalt, das Anfang Oktober beim Uhlenhorster HC stattfand. Die Führungsspieler des deutschen Feldhockey-Vizemeisters hatten anlässlich der anstehenden Auswärtsspiele in Krefeld und Mülheim diskutiert, ob der angeschlagene Carlos Nevado die Reise in den Westen mit anzutreten habe, oder ob man den Olympiasieger im Hinblick auf die erste Runde der Euro Hockey League (EHL) lieber schonen solle. Man entschied sich dafür, Nevado für die Bundesligaspiele zu nominieren. "Das wäre vor zwei Jahren undenkbar gewesen, dass wir es riskieren, einen Leistungsträger in der EHL nicht dabeizuhaben, weil die Bundesliga wichtiger ist", sagt Moritz Fürste.

Der 25 Jahre alte Nationalspieler erlebt in diesen Tagen eine Art Paradigmenwechsel in seinem Verein. An diesem Wochenende dürfen die "Uhlen" im niederländischen Eindhoven ihre Farben wieder international vertreten. In den vergangenen Jahren war die EHL schon Wochen vor dem Auftakt das wichtigste Thema in der Mannschaft. In dieser Saison jedoch liegt der Fokus auf dem Gewinn des deutschen Meistertitels, was einen einleuchtenden Grund hat. Während der UHC in den drei Jahren seit EHL-Gründung 2008 und 2010 den Titel gewann und 2009 erst im Finale gestoppt wurde, fehlt der nationale Meisterwimpel noch in der Vereinsvitrine. "Für alle steht deshalb die Liga im Vordergrund", sagt Fürste, der gleichzeitig klarstellt, dass das internationale Geschäft kein Nebenjob ist: "Wir werten die EHL nicht ab, sondern die Bundesliga kräftig auf."

Zum Erreichen der Zwischenrunde ist mindestens ein Sieg notwendig

Trainer Martin Schultze weiß um die Gemütsverfassung seines Teams. In den Trainingseinheiten in dieser Woche versucht er, die nötige Spannung aufzubauen, schließlich sind die Partien gegen den russischen Vertreter Izmaylovo Moskau (Sa., 12 Uhr) und den belgischen Meister KHC Dragons (So., 9.30 Uhr) keine Selbstgänger. "Die Belgier sind sicherlich eine Klasse stärker als die Russen, aber wir brauchen in beiden Spielen eine Topleistung", sagt Schultze. Da der Gruppendritte ausscheidet, ist mindestens ein Sieg zum Erreichen der Achtel- und Viertelfinalspiele über Ostern 2011 notwendig. "Leider wissen wir noch sehr wenig über unsere Gegner. Wir werden sie am Freitag in ihrem direkten Duell beobachten", sagt der Coach, der schon morgen zur Regelkonferenz in die Niederlande reist. Das Team folgt Freitag in Kleinbussen.

Viel mehr als über mögliche Einstellungsprobleme sorgt sich der Trainer um die personelle Situation. Mit Florian Fuchs (Australien-Aufenthalt) und den Verletzten Ricardo Nevado, Jonas Fürste und Tom Mieling fehlen vier wichtige Spieler, dazu droht noch der Ausfall von Stürmer Marco Miltkau, der sich am vergangenen Sonntag in Mannheim eine Knieprellung zugezogen hatte. Auch Moritz Fürste ist mit einer Handgelenksprellung angeschlagen. Zudem sind mit Jonas Swiatek, Mathias Müller, Frederik Behring, Max Neumann, Miltkau und Mieling sechs Spieler in der Grundausbildung zum Sportsoldaten und können derzeit nicht mit dem Team trainieren. "Wir müssen uns irgendwie durchmogeln", sagt Schultze.

"Wir gehen wieder als Topfavorit in die EHL, aber wir selber sehen uns gar nicht in dieser Rolle. Uns ist das ganze Rückgrat hinter den Führungsspielern weggebrochen", sagt Fürste. Obwohl er an die Stärke seines Teams glaubt, hat der Nationalspieler schon über ein vorzeitiges Scheitern nachgedacht. "Irgendwann wird es auch uns mal vor dem Finale erwischen", sagt er, "aber nicht an diesem Wochenende!"