Heute startet die deutsche Nationalmannschaft ihren Kurztrip zum letzten EM-Qualifikationsspiel des Jahres. Es geht nach Kasachstan.

Berlin. Gute und schlechte Nachrichten für Bundestrainer Joachim Löw. Der angeschlagene Mesut Özil (Knöchelprobleme) hat die Reise zum EM-Qualifikationsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft angetreten und wird am Dienstag gegen Kasachstan (19.00 Uhr/ZDF und im Liveticker auf abendblatt.de) in Astana wohl spielen können. Dagegen flog der erkrankte Jérome Boateng nicht mit. Der Verteidiger von Manchester City musste die Reise wegen Magen-Darm-Problemen am Montag absagen. Löw stehen für das letzte Pflichtspiel des Jahres somit noch 18 Spieler zur Verfügung, darunter drei Torhüter. Auf eine kurzfristige Nachnominierung will der DFB-Coach dennoch verzichten.

Die Dienstreise nach Kasachstan ist selbst für Löw, der seit seinem Amtsantritt 2006 bereits 60 Länderspiele hinter sich gebracht hat, Neuland. 4000 Flugkilometer wird er mit seinen Spielern zurücklegen, wenn er um zehn Uhr in die Sondermaschine Richtung Astana einsteigt. Fünfeinhalb Stunden Flugdauer in ein Land, das sowohl in Europa als auch in Zentralasien liegt, bedeuten die weiteste Anfahrt, die die DFB-Auswahl jemals für ein Qualifikationsspiel zurücklegen musste.

Nach Beratungen mit dem DFB-Internisten Tim Meyer hat Löw entschieden, dem Zeitunterschied von vier Stunden mit völliger Ignoranz zu begegnen. Den Spielern ist es verboten, ihre Uhren vorzustellen, sie sollen während des ganzen Kurztrips in der deutschen Zeitzone weiter leben. Alle Termine werden folgerichtig in der deutschen Zeit festgelegt.

Nach der Landung um 18.30 Uhr Ortszeit ist deshalb das Abschlusstraining in der Astana-Arena um 23 Uhr angesetzt, schließlich wird dann auch das morgige Spiel gegen Kasachstan angepfiffen. Dass die deutschen TV-Zuschauer um 19 Uhr (MESZ) in den Genuss des Livespiels kommen können, ist der Diktatur des Geldes zu verdanken. Das ZDF soll sich die Anstoßzeit für eine Millionensumme erkauft haben.

Während die meisten der 15 Millionen Einwohner Kasachstans längst im Bett liegen, werden die Nationalspieler weit nach Mitternacht ihr Nachtmahl einnehmen. Am Spieltag ist das Frühstück erst gegen 13 Uhr angesetzt. Um eine ungestörte Bettruhe zu garantieren, hat der DFB im Mannschaftshotel Rixos President "zusätzliche Lichtschutz-Maßnahmen" (Tim Meyer) vornehmen lassen. Das Hotelpersonal ist angehalten, das Spielerstockwerk von jeglichen Lärmquellen zu verschonen.

Klimatisch erwartet Meyer keine Probleme. Zwar kühlt es in der Nacht schon bis unter den Gefrierpunkt ab, aber das 2009 fertiggestellte, 130 Millionen Euro teure und 30 000 Zuschauer fassende Stadion hat ein verschließbares Dach, das die Temperaturen in der Halle auf acht Grad ansteigen lässt.

Vor fast genau einem Jahr, am 10. Oktober, musste die Nationalmannschaft ihr WM-Qualifikationsspiel gegen Russland in Moskau auf Kunstrasen absolvieren und übte deshalb in Mainz vorher tagelang auf ähnlichem Untergrund. Vor der Partie in Astana, wo der gleiche Beleg verlegt wurde, musste sich Löw bei einer Trainingseinheit am Sonntag in Berlin begnügen. Mesut Özil, der im Türkei-Spiel eine Fußprellung erlitt, pausierte ebenso wie Jerome Boateng, den eine Magen-Darm-Grippe erwischte. Während Özil am Dienstag wieder einsatzfähig sein soll, wollte sich Löw beim ehemaligen HSV-Profi nicht auf eine Prognose festlegen. Vermutlich wird Löw mit der gleichen Formation wie gegen die Türkei beginnen.

Nach der "Spätschicht" fliegt das Team am Mittwoch bereits um 8.50 Uhr Ortszeit wieder zurück nach Frankfurt und wird durch den Zeitgewinn um 10.30 Uhr wieder in Deutschland landen. Dass die Kicker einige Reisetipps, die sie nach dem Türkei-Spiel aus erster Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in der Kabine erhielten ("Astana hat ein bayerisches Bierlokal"), nutzen können, ist deshalb auszuschließen.

Dass die Einstellung nach dem überzeugenden Sieg über den stärksten Gruppengegner Türkei leiden könnte, schloss Löw am Sonntag ebenso aus und verwies auf den 6:1-Erfolg gegen Aserbaidschan nach dem 1:0-Sieg in Belgien. In der Tat hat sein Team mehrfach bewiesen, dass es Pflichtspiele gegen die "Kleinen" - Kasachstan belegt in der Fifa-Rangliste nur Platz 126, Deutschland Rang drei - seriös und konzentriert angeht. Löw wäre jedoch nicht Löw, würde er nicht vor Überheblichkeit warnen. Am Abend informierte der Bundestrainer seine Spieler in einer Videoanalyse über Stärken und Schwächen und urteilte: "Diese Mannschaft ist eindeutig stärker als Aserbaidschan. Sie sind körperlich robust und haben unter ihrem deutschen Trainer Bernd Storck einige deutsche Tugenden wie Ordnung, Disziplin und Einstellung verinnerlicht."

Deutsch ist nicht nur wegen Storck schwer im Kommen: Neben dem früheren Profi Storck (Dortmund, Bochum) arbeitet derzeit auch Holger Gehrke als Torwarttrainer für den Verband. Zum Kader gehört der in Kasachstan geborene Heinrich Schmidtgal (Rot-Weiß Oberhausen). Hauptstadtklub Lokomotive Astana wird seit diesem Jahr von Holger Fach (Mönchengladbach, Wolfsburg) trainiert. Für Abwechslung ist bei Storck & Co., aber auch nach dem Länderspiel gegen die Deutschen gesorgt. 2011 finden in der Spielstätte Astanas die Eröffnungs- und Abschlussfeiern der Asien-Winterspiele statt.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Kasachstan: Sidelnikow/FK Aktobe (30 Jahre/5 Länderspiele) - Kirow/Lokomotive Astana (26/11), Popow/Amkar Perm (32/3), Abdulin/Lokomotive Astana (28/15), Roschkow/Lokomotive Astana (26/5) - Nurgalijew/Tobol Qostanai (24/8), Geterijew/Spartak Naltschik (25/2), Awertschenko/FK Aktobe (28/8), Schmidtgal/Rot-Weiß Oberhausen (24/2) - Kischnitschenko/FK Atyrau (19/8), Schumaskalijew/Tobol Qostanai (29/51). - Trainer: Storck

Deutschland: 1 Neuer/Schalke 04 (24 Jahre/14 Länderspiele) - 16 Lahm/Bayern München (26/74), 17 Mertesacker/Werder Bremen (26/72), 14 Badstuber/Bayern München (21/7), 5 Westermann/Hamburger SV (27/22) - Kroos/Bayern München (20/11), Khedira/Real Madrid (23/15) - Müller/Bayern München (21/11), Özil/Real Madrid (21/20), Lukas Podolski/1. FC Köln (25/82) - Klose/Bayern München (32/104). - Trainer: Löw