Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel macht beim Flutlichtrennen in Singapur Boden im WM-Kampf gut. Alonso gewinnt

Berlin/Singapur. Im Warteraum bot sich ein Bild der Erschöpfung. Bevor Fernando Alonso, Sebastian Vettel und Mark Webber zur Siegerehrung ausrückten, saßen sie stumm einander gegenüber und tupften sich mit Handtüchern den Schweiß von der Stirn, unfähig, auch nur ein Wort zu wechseln.

Das Finale der Formel-1-Weltmeisterschaft ist nicht nur mental kraftraubend, in Singapur bei 30 Grad Celsius und extrem hoher Luftfeuchtigkeit waren die 61 Runden in knapp zwei Stunden auf dem Stadtkurs der Metropole zur körperlichen Qual geworden. "Es war extrem, das härteste Rennen des Jahres", fand Alonso erst allmählich die passenden Worte. "Monza war etwas anderes, aber dieser Sieg bedeutet mir wirklich sehr, sehr viel." Zum zweiten Mal hintereinander wurde er als Sieger abgewinkt, sein Ferrari hat nun leistungsmäßig zu Red Bull aufgeschlossen.

Die Konkurrenten im Kampf um den Titel stehen sich weiter unbarmherzig gegenüber. Bis auf den britischen McLaren-Piloten Lewis Hamilton, der nach einer Kollision mit Mark Webber ausschied, gab sich niemand eine Blöße. Das Renn-Quintett der fünf Titelkandidaten bleibt in Schlagdistanz. Der wegen seiner ungestümen Fahrweise zuletzt arg kritisierte Sebastian Vettel hat in der Nacht von Singapur zwar das Duell mit Alonso knapp verloren, in der WM-Gesamtwertung aber wieder etwas Boden auf seinen Stallgefährten Webber gutgemacht, der Dritter wurde. "Es war ein ganz enges Rennen", bilanzierte Vettel. "Ich habe versucht, Druck auf Alonso zu machen, aber mehr war nicht drin." Einen entscheidenden Vorteil hatte er in der Qualifikation vergeben, als er sich hauchdünn hinter Alonso anstellen musste.

Vettel hat nun als neuer Tabellenvierter 21 Punkte weniger als Webber (202). Zweiter ist Alonso (191), der nach seinem Sieg beim Skandalrennen vor zwei Jahren an gleicher Stelle diesmal ohne Schummeleien siegte, vor Hamilton (182) und Vettel (181).

Beim Start war der befürchtete Angriff von Hamilton auf Vettel ausgeblieben. Stattdessen attackierte Red-Bull-Mann Vettel dank einer verbesserten Startautomatik seines Wagens den spanischen Pole-Mann. Alonso, der zum 20. Mal von der Führungsposition aus startete, zog aber kompromisslos nach innen und versperrte Vettel den Weg - wie es die Regeln gestatten. Es gab kein Vorbeikommen.

Zwei Safety-Car-Phasen führten das Feld immer wieder dicht zusammen. Mark Webber profitierte letztlich von einem frühen Reifenwechsel. Als Elfter war er auf die Strecke zurückgekehrt, am Ende fuhr er als Dritter durchs Ziel. Hamilton versuchte, Webber zu überholen, zog nach innen - und schied mit Aufhängungsschaden aus. Wie schon vor zwei Wochen in Monza ging der britische McLaren-Fahrer leer aus. Wütend pfefferte er sein Lenkrad auf die Piste.

Dann der Showdown beim Reifenwechsel zwischen Alonso und Vettel. Beide kamen fast gleichzeitig an die Box. Und kehrten in derselben Reihenfolge auf die Strecke zurück. Aber auch, weil Vettel beim Anfahren ein kleiner Schnitzer unterlief. "Für eine Sekunde hat er die Kupplung zu früh kommen lassen", sagte Teamchef Christian Horner. Das Studium der Fernsehbilder zeigte, dass Vettel aus Versehen im zweiten Gang anfuhr.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich die Fahrer so oft mit einer schnellsten Runde abgewechselt haben", sagte Red-Bull-Chef Horner. "Sebastian hat jede Runde gepuscht. Der zweite Platz von ihm und der dritte von Mark sind ein tolles Ergebnis für uns." Vettel scheint nach den Gelübden seiner Chefs, dass er und Webber frei fahren können, befreit. Doch viel wird auf das nächste Rennen in zwei Wochen in Suzuka ankommen. Die Strecke in Japan liegt Red Bull, sollte da aber auch wieder Ferrari die Nase vorn haben, dürfte Fernando Alonso die besseren Aussichten auf den Titel haben.

Nick Heidfeld konnte sein erstes Rennen seit dem 1. November vergangenen Jahres nicht beenden. Zunächst touchierte der neue Sauber-Pilot seinen Landsmann Adrian Sutil, ehe dessen Force-India-Teamgefährte Vitantonio Liuzzi ungestüm ins Heck des Heidfeld-Autos stieß. Der Mönchengladbacher musste vorzeitig an die Box. Wenig später war ganz Schluss: Nach einer Kollision mit Michael Schumacher, der die Vorfahrt reklamierte, landete Heidfeld kurz danach an der Bande.