Klitschko-Trainer Emanuel Steward über den Kampf gegen Samuel Peter und seine Leidenschaft für deutsche Boxfans

Hamburg. Die Vorbereitung ist abgeschlossen, sodass Emanuel Steward, 66, gestern Vormittag Zeit hatte, durch die Innenstadt von Frankfurt am Main zu spazieren und sich das Kaufhaus anzuschauen, in dem am Freitag das offizielle Wiegen vor der Schwergewichts-Weltmeisterschaft (Sa., 22.15 Uhr/RTL live) zwischen WBO/IBF-Champion Wladimir Klitschko (34, Ukraine) und dem Nigerianer Samuel Peter, 30, stattfindet.

Abendblatt:

Vor fünf Jahren hat Samuel Peter Wladimir Klitschko dreimal niedergeschlagen, am Ende aber nach Punkten verloren. Was kann Klitschko im zweiten Duell überhaupt gewinnen?

Emanuel Steward:

Eine Menge. Wladimir will beweisen, dass er sich weiterentwickelt hat. Er will Peter beherrschen und ihn vorzeitig besiegen. Ich erwarte, dass er in der vierten oder fünften Runde durch Knock-out siegt.

Nachdem Peter vor zwei Jahren gegen Wladimirs älteren Bruder Vitali eine schwere Niederlage erlitten hat, halten ihn viele Experten für einen gebrochenen Mann. Liegen sie falsch?

Steward:

Definitiv. Ich erwarte einen Peter, der so stark ist wie nie zuvor. Er hat gegenüber dem Kampf gegen Vitali 20 Pfund abgenommen, er ist physisch in Topform, weil er mit Abel Sanchez einen neuen Trainer hat, der weiß, was er tut. Aber was viel wichtiger ist: Peter ist mental stabiler geworden. Ich weiß, dass manche glauben, dass Vitali ihn gebrochen hat. Aber das stimmt nicht. In dem Kampf hatte er viele Probleme mit seinem Umfeld, und das hat ihn fertiggemacht. Diese Probleme sind ausgeräumt. Sam Peter ist bereit für eine Schlacht.

Was haben Sie in der Vorbereitung auf das zweite Duell mit Peter anders gemacht als vor dem ersten?

Steward:

Sportlich gar nichts, weil Peter sich von seiner Taktik her nicht großartig verändert hat. Er ist kein Techniker, sondern ein Puncher. Wladimir weiß, dass er darauf besonders achten muss. Psychologisch ist dieses zweite Duell aber umso reizvoller. Wladimir war dreimal am Boden, das muss man erst einmal wegstecken. Und Peter hat so viele Schläge eingesteckt wie in keinem anderen Kampf in seiner Laufbahn. Beide werden das am Sonnabend im Hinterkopf haben.

Wladimir macht den Eindruck, dass ihn solche Dinge, anders als vor fünf Jahren, nicht mehr stören. Was ist seitdem seine wichtigste Weiterentwicklung?

Steward:

Wladimir hat mittlerweile den Habitus eines Champions. Er ist sehr selbstbewusst, vor allem aber lebt er seinen Beruf unglaublich professionell. Er ist ein absoluter Fachmann im Analysieren seiner Gegner, er arbeitet in jedem Training mit 100 Prozent Konzentration, und er bringt eine unglaubliche Geduld mit.

Was können Sie als Trainer einem Sportler wie Klitschko noch beibringen?

Steward:

Wir arbeiten vor allem daran, dass er seine Dominanz noch klarer ausnutzt. Wladimir weiß, dass sein Jab zu schnell für jeden Gegner ist, deshalb verlässt er sich nur darauf. Er weiß aber auch, dass er jeden Gegner ausknocken kann, wenn seine Rechte richtig trifft. Ich versuche ihm beizubringen, das öfter zu nutzen. Ich bin überzeugt, dass Wladimir bislang nur 65 bis 70 Prozent seiner Leistungsfähigkeit abruft.

Ein großer Champion wird auch durch große Kämpfe gemacht. Die Klitschkos tun sich seit Jahren schwer, passende Gegner zu finden. Leiden die Brüder unter der derzeitigen Schwäche ihrer Gewichtsklasse?

Steward:

Das würde ich so nicht sagen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich noch nie erlebt habe, dass es so wenige Herausforderer gibt, die gegen die Klitschkos antreten wollen. Das spricht allerdings für die Dominanz der Brüder und nicht gegen sie. Ich sage Wladimir immer: Verteidige beharrlich den Titel, irgendwann kommt der große Kampf, auf den du wartest.

Dem Publikum in Deutschland scheint der Gegner sowieso fast egal zu sein, die Klitschkos ziehen immer. Wladimir kämpft am Sonnabend zum dritten Mal in Folge in einem Fußballstadion. Wie empfinden Sie diesen Hype?

Steward:

Das, was hier in Deutschland mit Wladimir passiert, ist auch für mich das Highlight meiner Karriere. Solch eine Begeisterung gibt es nirgendwo auf der Welt. Selbst mich erkennen die Fans in Deutschland mittlerweile, ich bin hier genauso bekannt wie in den USA. Das macht mich stolz. So etwas wie diese Stadionkämpfe erleben nur ganz wenige Boxer. Wladimir wird erst in vielen Jahren rückblickend verstehen, dass er derzeit die tollsten Jahre seines Lebens erlebt.

Wladimir wollte immer der Champion des Volkes sein. Glauben Sie, dass er diesen Status erreichen kann?

Steward:

In Deutschland hat er ihn schon erreicht. Und ich bin überzeugt, dass er in den nächsten Jahren noch einige spektakuläre Kämpfe machen wird, die ihn weltweit zu einer Legende des Boxsports machen werden.