Wie Heinrich Berger vom Harvestehuder RV seine Karriere plant

Hamburg. Im Nachhinein ist klar, warum Heinrich Berger beim Gesprächstermin auf einen Sitzplatz an der Sonne bestanden hat. Es ist ein warmer Tag in Hamburg, vielleicht einer der letzten in diesem Jahr. Aber Berger, 24, stehen noch weit wärmere bevor. Noch in dieser Woche bricht er zur Bulgarien-Rundfahrt auf, wo ihn Temperaturen von 30 Grad und mehr erwarten. "Darauf muss man den Körper vorab einstellen", wird Berger später erzählen, "sonst hat man verloren."

Im Radsport sind es oftmals Kleinigkeiten, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Am vergangenen Wochenende ist Berger knapp gescheitert, zum dritten Mal hintereinander den Großen Preis der Haspa Volksdorf zu gewinnen. Er ist Zweiter geworden, in der Lesart seines Sports ist er damit der erste Verlierer, aber Berger hat gelernt, sich über solche Platzierungen zu freuen, schon weil sie ihm ein paar Euro bringen. Was er beim Stevens-Rennstall verdient, reiche gerade so für die Miete. Aber beklagen will er sich nicht: "Mancher Profi wäre froh, so viel zu bekommen."

Berger ist Amateur, jedenfalls wird er beim Bund Deutscher Radfahrer als solcher geführt, den Harvestehuder RV vertretend. In Wahrheit lebt Berger nur für den Radsport, wie fast alle seine Teamkollegen. An sechs Tagen in der Woche sitzt er im Sattel. 20 000 Kilometer sind in dieser Saison so zusammengekommen. Ein privater Trainer schreibt ihm die Übungspläne, ein Teamcoach kümmert sich um die Athletik. Auf Schokolade verzichtet der 1,83-Meter-Mann ganz, um den Körperfettanteil bei sieben Prozent zu halten und das Gewicht bei 70 Kilogramm. Sein Ausrüster von Hacht hat ihm fünf Räder zur Verfügung gestellt.

Die geringere Zahl an Wettkämpfen ist das Einzige, was seinen Alltag noch von dem eines Profis unterscheide. Die Dopingkrise hat den Rennkalender in Deutschland gerade auch für Amateure stark ausgedünnt. Um Erfahrung und Erfolge zu sammeln, muss Berger weit reisen. Nach Rumänien zum Beispiel, wo er in diesem Jahr zwei Etappen gewinnen konnte.

Schon deshalb hat Heinrich Berger seine Bewerbungsmappe bei mehreren Profiteams der niedrigsten Klasse Continental hinterlegt. Er weiß, dass es für einen Vertrag mehr braucht als nur Siege: "Es geht auch um Sympathie und Beziehungen."

Seinen Traum von der Tour de France und vom Giro d'Italia will Berger nicht aufgeben, obschon er Zweifel hat, dass er es aus eigener Kraft dorthin schaffen kann: "Ab einem bestimmten Punkt geht es nur noch mit Medizin weiter. Aber ich will gesund bleiben." Ein Pädagogikstudium sei schließlich auch eine Perspektive.

Wenn der Sport sein Beruf werden soll, bleibt ihm nicht sehr viel Zeit. Jan Ullrich war in seinem Alter bereits Tour-de-France-Sieger. Mit ihm hat sich Berger immer verbunden gefühlt, nicht nur weil Ullrichs Entdecker Peter Sager auch sein Landestrainer war, als Berger in Schwerin ernsthaft mit dem Radfahren begann. Als Radfahrer sei Ullrich ein Vorbild geblieben, wenngleich sich Berger gewünscht hätte, "dass er mit dem Thema Doping offener umgeht".

Heinrich Berger hat spät zu seinem Sport gefunden, bis dahin war das Fahrrad für ihn nicht mehr als ein Mittel, um zum Karate- oder Fußballtraining zu kommen. Zu alt fühlt er sich nicht: "Viele werden im Juniorenbereich verheizt." Seine Leistungen würden von Jahr zu Jahr besser. Die Bulgarien-Rundfahrt soll sein letzter großer Auftritt der Saison werden. Er fühlt sich bestens vorbereitet. Nur ins Sonnenstudio muss er noch.