Ungestümer Angriff wirft Vettel erneut zurück - Hamilton nach Sieg in Belgien neuer WM-Spitzenreiter in der Formel 1

Spa-Francorchamps. Als Aufsteiger des Jahres wurde er vor einem Jahr gefeiert, jetzt wird Sebastian Vettel (23) als Bruchpilot durch den Kakao gezogen. Anstatt beim Großen Preis von Belgien wie angekündigt den Rückstand in der Weltmeisterschaft aufzuholen, wurde der Red-Bull-Pilot durch einen zu ungestümen Angriff gegen Weltmeister Jenson Button weit zurückgeworfen. Dem selbst verschuldeten Unfall mit dessen McLaren-Mercedes folgten die fällige Durchfahrtsstrafe und später auch noch ein Reifenschaden, die Vettel endgültig um die Chance auf Punkte brachten.

"Ich war schneller als Jenson und wollte an ihm vorbei. Leider gab es auf der Bremse Probleme, und ich habe das Auto verloren", grummelte Vettel. Er versuchte aber entgegen früheren Situationen gar nicht erst, Ausflüchte zu suchen: "Das war mein Fehler, und es tut mir leid, dass ich Jenson mitgerissen und sein Rennen zerstört habe." Das Titelrennen werde jetzt natürlich schwieriger, gab Vettel zu: "Aber in dieser Saison ging es die ganze Zeit rauf und runter, da müssen wir abwarten. Wir hätten heute sicher Zweiter und Dritter werden können." Nach Platz 15 am Ende hat Vettel nun 31 Punkte Rückstand auf Buttons Teamkollegen Lewis Hamilton, der im Stil eines Champions zu seinem dritten Saisonsieg raste und die WM-Führung von Vettels Red-Bull-Partner Mark Webber übernahm.

"Das war ein großartiges Wochenende. Ich bin so glücklich, hier zu stehen. Es war ein sehr hartes Rennen für mich", entfuhr es Hamilton, der im Regen noch eine Schrecksekunde im Kiesbett hatte: "Gott sei Dank bin ich da wieder rausgekommen und vorn geblieben. Da haben viele Schutzengel die Hände über mich gehalten."

Mark Webber war nach einem schlechten Start von der Pole-Position auf Rang sechs zurückgefallen. Danach fuhr der Australier aber ein cleveres Rennen und sammelte am Ende als Zweiter vor dem Polen Robert Kubica noch viele wichtige Punkte. "Ich bin froh, noch Zweiter geworden zu sein. An solchen Tagen kannst du ganz leicht auch mal mit leeren Händen dastehen", sagte Webber. Mit 179 Zählern liegt er nur drei Punkte hinter Hamilton (182), der den 14. Sieg seiner Karriere holte.

Neben Vettel und Button (147), der den Ausfall als "herben Rückschlag" bezeichnete, gehörte auch Ferrari-Pilot Fernando Alonso (141) zu den Verlierern. Der Spanier, der nach Startplatz zehn und einer frühen Kollision zwar lange noch um ein paar Punkte kämpfte, krachte nach einem Dreher gegen die Streckenbegrenzung und schied aus. Aus dem Fünfkampf an der Spitze ist, zumindest vorübergehend, ein Zweikampf geworden.

Im Schatten der Duelle an der Spitze arbeitete sich Michael Schumacher auf seiner Lieblingsstrecke mit einer schlauen Defensivtaktik nach vorn. Nach seiner Strafversetzung wegen seiner Attacke auf Barrichello in Budapest war der Altstar von Position 21 gestartet. Nach der Hälfte des Grand Prix preschte er zwischenzeitlich bis auf Rang fünf vor. Auch sein Teamkollege Nico Rosberg legte eine tolle Aufholjagd hin und fuhr von Startplatz 16 bis an die sechste Stelle vor. Dabei hatte Rosberg Schumacher drei Runden vor Schluss noch überholt.

Zehn Runden vor dem Ende begann es stark zu regnen. Die ganze Spitze mit Hamilton, Kubica und Webber blieb zunächst draußen. Doch nach einer Runde Rutschpartie holte das Quartett den Wechsel auf Regenreifen nach. Webber schaffte es, Kubica noch in der Box zu überholen. Als Sebastian Vettel im Fahrerlager die Pleite zu erklären versuchte, prasselte die Kritik auf ihn ein. "Er macht es sich langsam zur Gewohnheit, seine Gegner aufzuspießen", empörte sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. "Er wird immer mehr zum Crashkid." Vettels Vorgesetzter Christian Horner versuchte derweil die Wogen zu glätten. "Für Sebastian ist heute alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte. Das war ein bisschen zu viel."

Keine Vorwürfe gab es von Vettels Unfallgegner Button. "Ich glaube, Sebastian hat beim Bremsen die Kontrolle verloren. Es hat es sicher nicht mit Absicht gemacht." Und ausgerechnet Spa-Sieger Lewis Hamilton hatte sich vor dem Rennen als Bewunderer des manchmal etwas zu aggressiven Deutschen aufgeschwungen. "Fahrerisch ist er ein Übertalent", schwärmte Hamilton in der "Welt am Sonntag" von Vettel. Was ihm noch fehlt, ist Cleverness und Routine.

Die Sorgen um eine Absage der Formel-1-Premiere in Südkorea wachsen. Neue Bilder von der Baustelle nähren die Zweifel an der rechtzeitigen Fertigstellung der Strecke für das drittletzte Saisonrennen. Die vom Fachblatt "Auto, Motor und Sport" am Wochenende auf seiner Internetseite veröffentlichten Fotos zeigen, dass auf dem Korean International Circuit anscheinend noch kein Meter Asphalt verlegt ist. Rund zwei Monate vor dem für den 24. Oktober geplanten Grand Prix sei nicht einmal der Untergrund der Strecke gewalzt, hieß es in dem Bericht. Das Boxengebäude werde voraussichtlich nicht rechtzeitig fertig.