Hans Melzer, Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter, über Skandale, Selbstbewusstsein und die Vergabe der WM-Tickets in Schenefeld.

Schenefeld. Einen Rundgang durch die Abendblatt-Redaktion lässt sich Hans Melzer, Bundestrainer der erfolgreichen Vielseitigkeitsreiter, vor dem Interview nicht nehmen. Den 59-Jährigen aus Salzhausen (Landkreis Harburg) interessieren die Abläufe in den Ressorts, das Zusammenspiel des Journalistenteams. Seine eigene Mannschaft will er an diesem Wochenende noch einmal beim internationalen Turnier in Schenefeld vor den Toren Hamburgs unter die Lupe nehmen. Anschließend wird er die Starter für die WM Ende September in Kentucky bestimmen. Sechs Reiter und Pferde, die für einen erneuten deutschen Medaillensegen sorgen sollen.

Abendblatt: Herr Melzer, wie sehr strahlen die Triumphe bei den Olympischen Spielen vor zwei Jahren noch auf die Vielseitigkeit ab?

Melzer: Dass wir vier Jahre nachdem uns die Goldmedaille aberkannt worden war, mit dem gleichen Team in Hongkong noch einmal den Triumph wiederholen konnten, war eine Sensation. Das hat uns sportlich weit nach vorne gebracht. Man hat jetzt mehr Selbstbewusstsein, die Achtung der Konkurrenz ist groß. Früher hat man uns belächelt. Deutschland stand immer für Dressur und Springen.

Konnte Ihre Disziplin auch wirtschaftlich von den Erfolgen profitieren?

Die Erfolge haben dazu geführt, dass viele Pferdebesitzer leichter sagen: "Wir machen weiter", auch wenn es lukrative Kaufangebote aus dem finanzkräftigen Ausland gibt. Jeder Reiter hat mittlerweile einen Kreis an Unterstützern und Sponsoren, die dabei helfen, dass eine längerfristige Planung möglich ist.

Trotzdem ist die Vermarktung Ihrer Aushängeschilder noch ausbaufähig.

Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass nach Hongkong noch mehr passiert. Vor den Spielen gab es die Kampagne "Die goldenen Reiter", die ziemlich erfolgreich lief. Nach den Siegen in Hongkong waren wir dann drei Tage die Attraktion, doch dann ging die Dopingdebatte um die Springreiter los. Später kam dann auch noch die Sache mit Isabell Werth (Dressurreiterin, deren Pferd Whisper positiv getestet wurde, d. Red. ).

Immerhin gelten Sie jetzt als die Saubermänner des Pferdesports. Haben Sie insofern auch von den Skandalen im Springen und der Dressur profitiert?

Das würde ich so nicht sagen. Ich gebe aber offen und ehrlich zu, dass ich froh bin, dass wir keinen Fall hatten. Unser Image hat erheblich von der Änderung unseres Formats vor den Olympischen Spielen 2004 in Athen profitiert, die Disziplin ist eindeutig pferdefreundlicher geworden. Früher waren die Geländestrecken viel ermüdender, es gab mehr Stürze.

DEUTSCHE REITEN IN AACHEN HINTERHER

Warum gab es beim Vielseitigkeitsreiten zuletzt keine vergleichbaren Betrugsfälle wie bei den Spring- und Dressurreitern? Sind Sie die besseren Menschen?

Bei uns ist das Zusammenspiel von Reiter und Pferd besonders wichtig. Man kann kein Vielseitigkeitspferd beruhigen wie in der Dressur, weil es dann im Gelände nicht mehr aktiv genug wäre. Man kann es auch nicht sensibilisieren wie im Springen, weil unsere Pferde immer mal im Gelände an ein Hindernis schlagen. Das ist normal kein Problem, aber bei einer Sensibilisierung würde es sich wehtun und wie Eberhard Gienger bei einer Riesenfelge herumturnen.

Was muss sich zur Lösung der Doping- und Medikationsproblematik im Pferdesport ändern?

Für uns ist es wichtig, dass es ganz klare Regeln gibt. In Deutschland haben wir momentan andere, klarere Regeln als international. Das Problem liegt beim Weltverband. Wir haben mit Prinzessin Haya eine Präsidentin, die extrem beeinflussbar ist und viele Fürsprecher aus Ländern hat, in denen der Reitsport einen anderen Stellenwert als bei uns besitzt. Uganda hat da genauso viel zu sagen wie Südkorea, Aserbaidschan oder Deutschland. Vielleicht schafft man es ja, in absehbarer Zeit mal einen Gegenkandidaten zu finden, der mehr im Sinne der Pferde bewegen kann.

Vor den Wettbewerben in Hongkong gab es viele Diskussionen um das Klima. Was ist in Kentucky zu erwarten?

Es gab 1978 schon mal eine WM zur gleichen Zeit in Kentucky, wo es sehr heiß und schwül war. Nachdem wir in Hongkong waren, wäre das aber kein Problem mehr für uns. Die grundsätzlichen Abläufe haben wir schon vergangenes Jahr bei einem Turnier vor Ort getestet, das hat alles sehr gut funktioniert.

Schenefeld ist die einzige Prüfung in diesem Jahr, in der alle deutschen Toppaare gegeneinander antreten. Welchen Stellenwert hat das Turnier kurz vor der Weltmeisterschaft?

Einen großen. Es geht immerhin auch um die deutsche Meisterschaft. Entscheidend für die Nominierung ist aber weniger die Platzierung als der Eindruck, den die Reiter und Pferde machen. Es ist eine kleine Generalprobe, auch wenn das Kursprofil mit Kentucky nicht vergleichbar ist.

Steht die WM-Mannschaft in Wirklichkeit nicht schon weitgehend fest?

Wer zwei und zwei zusammenzählen kann und weiß, wer in der Vergangenheit wie gut geritten ist, kann daraus sicher etwas ablesen. Wir haben drei amtierende Olympiasieger dabei, dazu mit Michael Jung einen Superstar, bei dem man im Moment fast das Gefühlt hat, dass keiner ihn schlagen kann. Das sind Paare, mit denen man kalkulieren kann. Es gibt aber immer das Risiko, dass sich jemand verletzt. Wenn ein Pferd mehrfach verweigert, macht man sich auch so seine Gedanken.

Die Europameisterschaft im vergangenen Jahr verlief enttäuschend. Warum wird das in Kentucky anders?

In Fontainebleau haben wir in der Tat ein kleines Debakel erlebt. Aber es gibt eben solche Tage, Dennoch haben wir auch im letzten Jahr den Weltcup gewonnen, dieses Jahr sind wir mit Jung wieder uneinholbar im Weltcup vorn, Andreas Dibowski ist dazu Erster in der Weltrangliste. Wir sind definitiv in der Lage, sowohl im Einzel als auch in der Mannschaft hervorragende Ergebnisse zu erzielen.