Das Bremer Unternehmen stellt sein Radsport-Sponsoring zum Jahresende ein

Bremen. Die Nordmilch AG dreht den Geldhahn zu, die Fahrer begehen Fahnenflucht - doch Gerry van Gerwen glaubt noch immer an das Überleben seines Milram-Teams. "Die Mannschaft ist noch nicht tot, sicher nicht", sagte der Niederländer. Rund 20 Stunden nachdem der Teamchef mit leeren Händen vom Bittgang nach Bremen zurückgekehrt war, musste er einräumen, dass Nordmilch seinen Radrennstall 2011 nicht mehr finanziell unterstützen wird. "Sie haben wiederholt: 'Wir machen kein weiteres Sponsoring'", berichtete van Gerwen. Das Unternehmen habe schlicht Angst vor weiteren Dopingfällen im Radsport, diese Angst würge alles ab. Der Bremer Milchkonzern, der jährlich rund acht Millionen Euro in das Team gepumpt hatte, werde ihm aber weiter zur Seite stehen, ließ der Holländer wissen, "unter anderem mit seinen Kontakten".

"Mit fünf Millionen" Euro pro Saison könne die Dortmunder Equipe "in der ersten Kategorie bleiben", so van Gerwen. Sollte seine Sponsorensuche erfolglos bleiben, würde Deutschland 13 Jahre nach dem Jan-Ullrich-Boom von der großen Radsportbühne verschwinden. "Der Niedergang des deutschen Radsports hat sich mit dem Ausstieg von T-Mobile und danach Gerolsteiner fortgesetzt. Das Milram-Aus ist jetzt der Tiefpunkt", sagte der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer. Der Schwabe hatte 2008 seinen Rennstall nach erfolgloser Geldgebersuche - nicht zuletzt aufgrund anhaltender Doping-Schlagzeilen - schließen müssen.

Nun droht van Gerwen dasselbe Schicksal. Und die Fahnenflucht seiner Fahrer, die unmittelbar vor dem Start der 9. Etappe der 97. Tour de France nach Saint-Jean-de-Maurienne die Hiobsbotschaft erhielten, muss der Teamchef hilflos verfolgen. "Wir befinden uns jetzt auf Bewerbungsfahrt", sagte Johannes Fröhlinger, bevor er den Worten umgehend Taten folgen ließ und früh mit einer Fluchtgruppe ausriss, aber im Finale einbrach. Einen Tag zuvor hatte bereits Kapitän Linus Gerdemann erklärt, dass während der Tour Gespräche mit anderen Teams laufen. So wird der Wahl-Schweizer mit einem neuen Top-Team aus Luxemburg in Verbindung gebracht, Topsprinter Gerald Ciolek bezeichnete den alten Arbeitgeber HTC-Columbia als "interessante Alternative". Ein Ende des Milram-Teams würde den deutschen Profi-Radsport in die Zweitklassigkeit stürzen. "Wir fallen zurück wie zu meiner Anfangszeit", meinte Milrams Sportlicher Leiter Christian Henn, der 1988 seine Profi-Karriere begonnen hatte.

Die neunte Etappe der Tour de France über 204,5 km von Morzine-Avoriaz nach St. Jean de Maurienne gewann der Franzose Sandy Casar. Andy Schleck (Luxemburg) fuhr ins Gelbe Trikot, der bisherige Gesamtführende Cadel Evans (Australien) steht nach einem Ellenbogenbruch, den er am Sonntag erlitt, vor dem Ausstieg.