Webber gewinnt das Formel-1-Rennen in Silverstone, Vettel rettet nach schwachem Start Platz sieben. Aber im Team herrscht dicke Luft

Silverstone. Siege verleihen normalerweise Flügel. Was jedoch derzeit bei Red Bull, dem dominierenden Team der Formel 1, geschieht, ist das genaue Gegenteil. Trotz des Sieges von Mark Webber beim britischen Grand Prix in Silverstone herrscht Zoff im Bullen-Stall. Der Australier, der seinem Team den Triumph rettete, nachdem der Trainingsschnellste Sebastian Vettel beim Start weit zurückgefallen war, zürnte.

"Nicht schlecht für einen Nummer-zwei-Fahrer", sagte Webber seiner Crew per Bordmikrofon. Er fühlt sich offensichtlich im internen Duell mit Vettel benachteiligt. Die Situation war im Training am Sonnabend eskaliert, nachdem an Vettels Auto die neue Version des filigranen Frontflügels beschädigt wurde. Teamchef Christian Horner entschied daraufhin, den letzten verbliebenen Flügel dieses Typs von Webbers Wagen abzubauen und bei Vettel anzuschrauben. Ein klares Indiz für die Hackordnung im Team.

Dabei hätte Webber, 33, eigentlich ein strahlender Sieger sein müssen. Zwei Wochen nach seinem schweren Unfall in Valencia saß er in einem neuen Auto, das sich auf Anhieb als siegfähig herausstellte. Dennoch meinte er zerknirscht: "Ich hätte niemals einen Vertrag für nächstes Jahr unterschrieben, wenn ich gewusst hätte, dass das die Art ist, wie es weitergeht." Beobachtern ist klar, dass das Team Red Bull zunehmend zur Stierkampfarena wird. "Man braucht kein großer Psychologe zu sein, um zu sehen, was da gerade abgeht", sagte etwa Mercedes-Testfahrer Nick Heidfeld beim Sender Sky. Teamchef Christian Horner wiegelte noch ab: "So eine Situation kommt nicht oft vor."

Das Verhältnis zwischen Vettel und Webber ist professionell, aber frostig. Beim Händedruck nach dem Rennen zeigte Webber keine Regung, während Vettel eher gequält lächelte. "Die beiden werden wohl Weihnachten nicht zusammen verbringen", schwante Horner.

Sebastian Vettel rettete in Silverstone, was zu retten war. Nach schwachem Start hatte er gleich die Führung an Webber verloren. Beim Duell mit dem nachdrängenden Lewis Hamilton schlitzte der McLaren-Mercedes des Briten Vettels rechtes Hinterrad auf. Das Rennen war schon in der zweiten Kurve verloren. "Plötzlich habe ich gemerkt, dass ich einen Platten habe, und hatte alle Hände voll zu tun, das Auto auf der Strecke zu halten", sagte Vettel. Der nötige Boxenstopp warf ihn ans Ende des Starterfeldes zurück.

Ein Einsatz des Safety-Cars, als nach einer Kollision Fahrzeugteile auf der Piste lagen, brachte Vettel wieder ins Rennen zurück. Er pflügte sich durchs Feld, ging unter anderem spektakulär an Michael Schumacher vorbei und landete schließlich noch auf Platz sieben. Sechs WM-Punkte, die am Ende im Titelkampf noch von Wert sein könnten. "Ich hatte wenigstens noch etwas Spaß", sagte er.

Die WM-Rivalen hingegen punkteten voll. Lewis Hamilton baute als Rennzweiter seine Führung aus (145 Punkte), Jenson Button behauptete nach einer renntaktischen Meisterleistung, die ihn vom 14. Startplatz auf Rang vier nach vorn brachte, den zweiten Gesamtrang (133) vor Webber (128) und Vettel (121).

Als bester deutscher Pilot fuhr Nico Rosberg im Werks-Mercedes nach drei Monaten als Dritter endlich wieder einmal aufs Podest. "Gigantisch", freute sich der 25-Jährige.

Und Michael Schumacher? Der siebenmalige Weltmeister belegte am Ende 20 Sekunden hinter seinem Teamkollegen Rosberg einen unauffälligen neunten Platz. Er nahm die Schuld für einen Fahrfehler auf sich und fand für sein enttäuschendes Ergebnis noch eine Begründung, die an diesem ersten Ferienwochenende viele deutsche Autofahrer teilten: "Über weite Strecken steckte ich im Verkehr fest."