Alberto Contador und Lance Armstrong starten als Favoriten in die Tour de France. Der Betrugsverdacht ist ihr Begleiter

Rotterdam. Sein letzter Termin vor dem Start der Tour de France hat Lance Armstrong am Freitagnachmittag ins Rotterdamer Erasmus-Krankenhaus geführt. Seine "Livestrong"-Stiftung unterstützt dort ein Krebsforschungsprojekt. Die Begegnung mit Menschen, die wie er die Krankheit überlebten, mit den Ärzten und Krankenschwestern sei "eine Inspiration" gewesen, ließ der Rekordgewinner sein Gefolge über den Kurznachrichtendienst Twitter wissen, in dem sich der US-Radprofi so gern ausbreitet.

Im Gespräch mit kritischen Fragestellern belässt es Armstrong auch meist bei Kurzmitteilungen von nicht mehr als 140 Zeichen, daran hat sich auch vor seiner letzten Tour nichts geändert. Was mit den Doping-Anschuldigungen sei, die sein einstiger Weggefährte Floyd Landis gegen ihn erhob? "Es werden weitere Anschuldigungen kommen", winkte Armstrong betont gelangweilt ab, "hängt sie an die Liste dran." Seine Karriere spreche für sich. Im Übrigen würde ihn das Gerede eher beflügeln als belasten.

Das kann durchaus als Drohung an Titelverteidiger Alberto Contador aufgefasst werden. Im vergangenen Jahr war der Spanier noch Armstrongs Teamkollege bei Astana und vermieste ihm das Comeback, indem er ihm am Ende mehr als fünf Minuten abnahm. In diesem Jahr fährt Armstrong, 38, für den von ihm selbst gegründeten Rennstall Radioshack und fühlt sich gerüstet für den achten Gesamtsieg: "Meine Form ist besser als letztes Jahr und meine Motivation größer. Es wird schwer, aber ich kann gewinnen."

Einzig Ivan Basso wird zugetraut, aus dem Zwei- einen Mehrkampf um den Sieg zu machen. Schon einmal, vor vier Jahren, reiste der Italiener nach dem Gewinn des Giro als Favorit zur Tour. Seinerzeit wurde er wie Jan Ullrich am Tag vor dem Start wegen seiner Verwicklung in den Skandal um Eufemiano Fuentes aus dem Verkehr gezogen. Basso gestand später Kontakt zu dem spanischen Arzt ein, als es ohnehin nichts mehr zu leugnen gab, bestritt aber, jemals gedopt zu haben. Nach einer Sperre darf Basso jetzt wieder mitfahren. Im Vorjahr konnte Tour-Direktor Christian Prudhomme das noch verhindern. Nun wirbt er für Akzeptanz: "Er hat seine Strafe abgesessen." Gleiches gelte für den Kasachen Alexander Winokurow, der Contador als Edelhelfer bei Astana über die Berge bringen soll. 2007 stürzte Winokurow die Tour fast in den Abgrund, als ihm nach einem Etappensieg Fremdblutdoping nachgewiesen wurde.

Im vergangenen Jahr fielen alle Tests negativ aus, was ARD und ZDF dazu ermutigt haben mag, die Live-Berichterstattung von 30 auf mindestens 90 Minuten täglich zu verlängern. Womöglich trifft aber auch nur zu, was die französische Anti-Doping-Agentur AFLD dem Weltverband UCI vorwirft: dass die Kontrollen schlichtweg nicht effektiv waren. In diesem Jahr sind die AFLD und die Welt-Anti-Doping-Agentur in die Untersuchungen einbezogen. 540 Tests sind angekündigt, alle Fahrer müssen schon im Vorfeld Blut- und Urinproben abgeben.

Hans-Michael Holczer hält den Kampf dennoch für nicht zu gewinnen. Wer nach Lücken suche, finde sie auch, sagte der frühere Manager des Teams Gerolsteiner dem "Kicker". Holczer hat es 2008 selbst erleben müssen, als seine Fahrer Bernhard Kohl und Stefan Schumacher hinter seinem Rücken dopten. Als der Betrug aufflog, wurde der Rennstall aufgelöst. Als einziges deutsches Team ist Milram in der Pro-Tour verblieben. Zu Saisonende zieht sich auch dessen Hauptsponsor Nordmilch zurück, weil es zu wenige wie Milram-Kapitän Linus Gerdemann halten, der sich bereit erklärt hat, 24 Stunden am Tag unter Beobachtung zu stehen.

Einer der 15 Deutschen könnte zumindest erster Träger des Gelben Trikots werden. Dem Cottbuser Tony Martin traut Armstrong zu, den Prolog zu gewinnen. Ihm und Fabian Cancellara. Der Schweizer Weltmeister und Olympiasieger wird verdächtigt, sich die Erfolge bei den Frühjahrsklassikern Paris-Roubaix und Flandernrundfahrt mithilfe eines Motors erschlichen zu haben. Die UCI lässt deshalb bei der Tour alle Räder scannen. Zumindest sie sollten diesmal sauber sein.