Deutsches Olympiateam bei der Kieler Woche vorgestellt - das Duell Audi gegen BMW wird entspannt gesehen

Kiel. Ein bisschen komisch sei das schon, findet Friederike Belcher: Es ist Kieler Woche, sie ist vor Ort - aber sie segelt nicht mit. Wie so viele ihrer Kollegen haben es auch Belcher und ihre Steuerfrau Kathrin Kadelbach diesmal vorgezogen, im olympischen Revier vor Weymouth (Großbritannien) für die Sommerspiele zu trainieren, weshalb die größte Segelregatta der Welt in den Weltcupwettbewerben etwa 40 Prozent weniger Teilnehmer als im Vorjahr verzeichnet.

Nach Kiel sind Kadelbach und Belcher nur für die gestrige Präsentation der deutschen Olympiamannschaft gekommen. Einmal waren die beiden Hamburger 470er-Seglerinnen immerhin draußen auf dem Wasser: Von Bord von Jochen Schümanns TP52 winkten sie gemeinsam mit den anderen Kaderseglern in die Kameras, die sich am Anleger des Olympiazentrums Schilksee aufgebaut hatten. "All4One" heißt Schümanns Boot, alle für einen, was die Geschlossenheit betonen soll, die der Deutsche Segler-Verband (DSV) seiner Olympiakampagne verordnet hat. Dass Kadelbach und Belcher mit ihren anthrazitfarbenen Softshell-Jacken inmitten weißer Westen nicht recht in das harmonische Gruppenbild passen wollten, war allerdings absehbar. Während die deutsche Nationalmannschaft unter dem Namen Sailing Team Germany (STG) von Audi gesponsert wird, stehen Kadelbach und Belcher wie die Kieler 49er-Segler Tobias Schadewaldt/Hannes Baumann bei BMW unter Vertrag.

Und so kommt es zu der seltsamen Situation, dass bei Olympia zwei deutsche Boote antreten, die nicht zur Nationalmannschaft gehören. Diesen Titel hatte sich das STG exklusiv gesichert. Es war vor zwei Jahren mit dem Vorsatz angetreten, die besten olympischen, paralympischen und Nachwuchsathleten im Auftrag des DSV so zu fördern, dass der deutsche Segelsport wieder den Anschluss an die Weltspitze schafft.

Nur ausgesprochen Gutgläubige halten es für einen Zufall, dass fast zur gleichen Zeit die beiden Crews des Norddeutschen Regatta-Vereins beim bajuwarischen Konkurrenten von Audi unterschrieben. Tatsächlich dürfte es sich um ein taktisches Störmanöver BMWs handeln, nachdem die Verhandlungen mit dem STG nicht zum Erfolg geführt werden konnten. Auch wenn Magnus Wiese, der Sportmarketingchef des Autobauers, das so nicht bestätigen mag: Anders als Audi verfolge man einen "selektiven Ansatz", um "besondere Momente für die Marke" zu schaffen. Mit dem DSV und dem Mitbewerber pflege man ein gutes Verhältnis.

Misstöne, wie es sie zwischenzeitlich gegeben haben soll, waren jedenfalls gestern Abend bei der Präsentation in Kiel nicht zu vernehmen. Selbstverständlich stünden die meisten Leistungen des STG auch Kadelbach/Belcher und Schadewaldt/Baumann zur Verfügung, betont Geschäftsführer Oliver Schwall: "Wir sind da völlig entspannt." Auch der Wissenstransfer verlaufe, anders als bisweilen kolportiert, reibungslos. Der Softwareriese SAP baut als Hauptsponsor des Sailing-Teams derzeit eine Datenbank mit Strömungs- und Windmodellen für die wichtigsten Reviere auf. Laut DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner stünden alle Informationen selbstverständlich auch den BMW-Crews zur Verfügung.

Stegenwalner hat sich in den vergangenen Monaten darum bemüht, die auseinanderdriftenden Kräfte in der Mannschaft wieder zusammenzuführen. So wurden die Trainer der verschiedenen Teams bei Lehrgängen zum Erfahrungsaustausch gebeten. DSV-Präsident Rolf Bähr sieht eine neue Qualität in der Zusammenarbeit erreicht: "Wir sind bei Olympia erstmals mit einer richtigen Mannschaft am Start. Ich bin sehr froh, dass sich das Teambuilding durchgesetzt hat."

Dass gleich zwei Autokonzerne die Segel setzen wollen, um Ingenieursgeist zu demonstrieren und sich nebenbei einen grünen Anstrich zu geben, ist, Interessenskollisionen hin oder her, unterm Strich wohl ein Luxusproblem. Ohne das großzügig angelegte Engagement wäre eine professionelle, langfristige Vorbereitung auf Olympia für die meisten Segler kaum zu leisten. Erste Erfolge sollen bereits in Weymouth messbar werden. Mindestens zwei Medaillen erwartet Segellegende Schümann vom deutschen Team. Das wäre eine Verdopplung der Ausbeute von 2008.

"Das Sailing Team Germany gibt unseren Seglern Identifikation und eine Perspektive", sagt Schwall. Bis zur nächsten Olympiapräsentation 2016 will der frühere Tornado-Weltmeister aus Hamburg ein einheitliches Bild hinbekommen: "Unser Ziel ist, dass dann nur noch die Ringe zu sehen sind." Die Verhandlungen für eine Vertragsverlängerung laufen.