Dadi Yami und Shami Dawit sind die Stars des Haspa-Marathons

Hamburg. Der Wind an der Alster weht kräftig an diesem Donnerstagmittag. Die schwarzen Sporthosen der äthiopischen Langstreckenläufer Dadi Yami, 30, und Shami Abdullah Dawit, 27, schlackern unentwegt an den spindeldürren Beinen der diesjährigen Haspa-Marathon-Stars. Man könnte meinen, sie würden der Brise nicht lange standhalten und einfach weggeweht. Doch Yami und Dawit bleiben standhaft. Geduldig folgen sie den Anweisungen des Abendblatt-Fotografen, der ihnen die gewünschten Posen beschreibt und diese mitunter auch vormachen muss. Dawit spricht nur wenig Englisch, Yami so gut wie keines. "Beide sind schüchtern, stehen ungern im Mittelpunkt", sagt Athleten-Betreuer Jurrie van der Velden. Doch genau dies wäre der Fall, sollte einer von ihnen am Sonntag den 2006 vom Spanier Julio Rey aufgestellten Streckenrekord unterbieten.

2:06:52 Stunden gilt es zu schlagen. Eine Zeit, die Yami und Dawit in diesem Jahr bereits unterboten haben. 2:05:41 Stunden benötigte der sechstplazierte Yami in Dubai am 27. Januar, um die 42,195 Kilometer-Distanz zurückzulegen. Dawit, der nur eine Sekunde langsamer war, belegte Platz sieben. Die Strecke im Wüstenstaat ist flacher als in Hamburg. Doch sofern das Wetter mitspiele, könnte es für eine neue Rekordzeit reichen, ist sich Marathonchef Frank Thaleiser sicher.

Yami und Dawit jedenfalls setzen alles auf Sieg. Gestern reisten sie per Flieger aus ihrer Heimat Addis Abeba an. Mit im Gepäck war Injera, ein gesäuertes Fladenbrot aus Reismehl, auf das die Sportler keinesfalls verzichten wollen. "Die Essensgewohnheiten beizubehalten ist wichtig für die Athleten", betont van der Velden. Auch dies sei Voraussetzung dafür, dass die Äthiopier Bestleistungen erbringen können.

Yami und Dawit laufen am Sonntag nicht nur um Medaillen, sondern vor allem um das Preisgeld von 12 000 Euro. Bei einer Zeit von unter 2:06 Stunden käme eine Zeitprämie von 50 000 Euro hinzu. Geld, das die Profiläufer in ihrer Heimat zu reichen Männern machen würde. Von 50 US-Dollar könne man in Addis Abeba einen Monat lang sehr gut leben, sagt van der Velden.

Wohl auch deshalb entschied Shami Dawit vor fünf Jahren, sich ganz aufs Laufen zu konzentrieren. Der 27-Jährige hat noch zwei Brüder und drei Schwestern. Die Familie lebt in einem Dorf nahe der Hauptstadt Äthiopiens. Eine Frau habe er nicht, sagt Dawit - dafür aber ein Vorbild, dem er auf den Marathonstrecken dieser Welt nacheifere: Haile Gebrselassie. Äthiopiens Wunderläufer und ehemaliger Weltrekordhalter inspiriert die Nachwuchstalente. Auch Dadi Yami, der in Hamburg erst seinen dritten Marathon läuft und vor wenigen Jahren noch Gemüsefarmer war, schätzt Gebrselassie sehr. Sein großer Traum ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London. 2:04:50 Stunden müsste er unterbieten, um zu den drei Auserwählten zu gehören, die Äthiopien bei den Sommerspielen vertreten dürfen. Der Gedanke daran zaubert dem Single ein Lächeln ins knochige Gesicht und lässt seine großen Zähne hervorblitzen. Er würde sie sicherlich wieder zeigen, wenn er den Haspa-Marathon gewinnen sollte.

Doch die Konkurrenz ist groß. Einzig vor den europäischen Startern brauchen die Afrikaner wohl keine Angst zu haben. Auf die Frage, warum ihre Landsleute so viel schneller seien als die meisten Europäer, haben Yami und Dawit keine umfassende Antwort. "Vielleicht weil wir dem Sport unsere ganze Aufmerksamkeit schenken", spekuliert Dawit. Der Aufmerksamkeit der Hamburger können sich Dadi Yami und Shami Dawit zumindest am Sonntag gewiss sein.