Mercedes wagt mit neuem Team den Spagat zwischen Tradition und Moderne

Hamburg/Shanghai. Als Juan Manuel Fangio 1954 und 1955 für die Mercedes-Silberpfeile siegte, zog sich der argentinische Rennfahrer noch einen Lorbeerkranz über das ölverschmierte Gesicht. Heute wird auf dem Siegerpodest der Formel 1 Champagner verspritzt, und die Sieger erhalten mehr oder weniger hässliche Pokale. In Wahrheit aber geht es in diesem globalen Geschäft um Milliarden.

Norbert Haug hatte vor fast zwei Jahrzehnten einen Traum. Er wollte nicht weniger als den Mythos der Lorbeerkränze und den Erfolg der modernen Formel 1 miteinander verbinden. Der ehemalige Journalist führte Mercedes 1993 als Motorsportchef wieder in die Formel 1. Zunächst als Motorpartner des Schweizer Sauber-Teams, später bei McLaren und weiteren Kunden. Siege und Weltmeistertitel gab es schon damals. Aber eben nicht mit firmeneigenen Silberpfeilen. Das sollte sich 2010 ändern.

Mercedes übernahm das amtierende Weltmeisterteam des genialen Teamchefs Ross Brawn und holte als Clou den siebenmaligen Weltmeister Michael Schumacher aus dem Ruhestand. Ein "deutsches Nationalteam" war geboren. Eine rasende Mannschaft, die an die Erfolge von Caracciola, Fangio und Moss anknüpfen sollte. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte erkannt: "Im Rennsport geht es um Emotionen." Das sportliche Image der Marke Mercedes sollte gestärkt werden. Allerdings forderte Zetsche auch: "Die Investition muss sich rechnen." Soll heißen: Erfolge sind früher oder später unabdingbar.

Doch zwei Jahre lang stockte das ambitionierte Unternehmen. Speerspitze der Formel 1 waren keine Silberpfeile, sondern die rasenden Dosen des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull, deren Spitzenfahrer Sebastian Vettel als Schumacher-Nachfolger zweimal Weltmeister wurde.

Erst im dritten Jahr gelang es Ross Brawn, ein Fahrzeug zu bauen, das dem Anspruch gerecht wurde. Der Mercedes W03 hat viele Väter, denn mit Bob Bell (früher Renault), Aldo Costa (Ferrari), Geoff Willis (Honda) und Loic Bigois (Honda) hat Brawn seinen Technikstab entscheidend verstärkt. "Wir haben so eine wundervolle Geschichte", sagt Brawn, der den Mythos der Silberpfeile verinnerlicht hat, "wir wollen dieser Tradition gerecht werden." Und es soll weiter aufwärtsgehen. "Wir werden in den nächsten Rennen noch ein paar Verbesserungen bringen."

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug richtete sich an die Konzernfamilie und bedankte sich bei den "Teammitgliedern in Brackley, Brixworth, Stuttgart, Fellbach, Untertürkheim und Möhringen." Der Betriebsfriede ist erst einmal gesichert.