Kiel. Dass ein so erfahrener Boxtrainer wie Ulli Wegner sich nicht an eine Stallorder hält, sondern seine Wahrnehmungen offen ausplaudert, hat für den neutralen Beobachter stets seinen Reiz. Kalle Sauerland, Mitglied der Geschäftsleitung im Berliner Sauerland-Profistall, hatte sich gerade gefreut, "dass wir den alten Arthur zurückhaben", als Wegner ihm in die Parade fuhr. "Arthur hat großes Potenzial, das hat er gezeigt. Aber auf dem Weg zur WM müssen wir noch einiges verbessern", sagte der bald 70-Jährige.

Der, über den gesprochen wurde, war in der Nacht zu Sonntag nicht mehr in der Sparkassen-Arena. Supermittelgewichtler Arthur Abraham hatte nach seinem Punktsieg (119:108, 118:109, 118:109) über Piotr Wilczewski aus Polen über Ohrenschmerzen geklagt und ließ diese in einer Kieler Klinik als "verhärtetes Ohrenschmalz" diagnostizieren, während Trainer und Promoter auf der Pressekonferenz darüber diskutierten, wohin der Weg des 32 Jahre alten Exweltmeisters führen soll.

Der Weltverband WBO hat festgelegt, dass der Sieger des Duells in seinem nächsten Kampf gegen den Weltmeister antreten darf. Dieser heißt derzeit Robert Stieglitz. Der Magdeburger vom SES-Stall verteidigt seinen Titel am 5. Mai in Erfurt gegen den Briten George Groves. Der Sieger dieses Kampfes soll Ende August in Berlin oder Hamburg gegen Abraham antreten. Noch im Ring war der gebürtige Armenier gefragt worden, ob er sich für eine WM bereit fühle. "Meinetwegen schon morgen, ich fühle mich in Form dafür", sagte dieser.

Tatsächlich wurde einmal mehr deutlich, dass der ehemalige Mittelgewichtschampion im höheren Limit wesentlich mehr Probleme hat, seine Gegner auszuknocken. Gegen Wilczewski war Abraham zwar sehr aktiv, anstatt wie früher die ersten vier Runden abzuwarten, setzte er den Polen sofort unter Druck und sammelte so die zum Sieg nötigen Punkte schnell ein. Dennoch wirkte er in vielen Aktionen zu fest, schlug eine große Zahl von Haken in die Luft. "Er hat den nötigen K.-o.-Schlag, den wir trainiert haben, nicht gebracht. Besonders den einfachen Aufwärtshaken habe ich vermisst", kritisierte Wegner. Und so verstärkte die Nacht von Kiel das Gefühl, dass es den alten Abraham nicht mehr gibt und der neue noch viel Arbeit auf dem Weg zurück an die Spitze hat.