Im Fahrerfeld der Formel 1 herrscht Unklarheit, wer Sebastian Vettel am besten auf dem Weg zur erneuten Titelverteidigung Paroli bieten kann.

Melbourne. Unter Sebastian Vettels Verfolgern herrscht völlige Ungewissheit über die tatsächliche Hackordnung der Formel 1 vor dem Saisonstart. „Ich weiß es wirklich nicht“, gab Lewis Hamilton zu. Der McLaren-Pilot und sein ebenfalls weltmeisterlicher Teamkollege Jenson Button gelten eigentlich als erste Widersacher von Doppelchampion Vettel und als Kandidaten für den Sieg beim Auftaktrennen an diesem Sonntag in Melbourne. „Ich erwarte nichts“, sagte Hamilton aber.

Ob Vettel selbst, Experten oder Kollegen – Einigkeit besteht zumindest darüber, dass die Spitze mit Titelverteidiger Red Bull, McLaren, Ferrari, MercedesAMG und Lotus enger zusammengerückt ist. Das war's dann aber auch. „Ich habe keine Ahnung, wo wir stehen“, beteuerte Rückkehrer Kimi Räikkönen. Immerhin hatte sich der finnische Weltmeister von 2007 (damals im Ferrari) nach zwei Jahren Formel-1-Abstinenz mit den Bestzeiten am ersten und auch am letzten Testtag im Lotus zurückgemeldet.

Doch verfolgen dort alle Teams unterschiedliche Strategien. MercedesAMG versuchte offensichtlich nicht einmal eine schnelle Runde. Andere Autos fuhren mit weniger Sprit, waren leichter und damit auch schneller. Mit dem Pokern, Rätseln und der Geheimniskrämerei ist bald aber Schluss. „Wir werden es am Wochenende wissen, aber ich denke, dass viele schnell sein werden“, urteilte Räikkönen.

Ob es im Albert Park von Melbourne, wo vor einem Jahr Vettel zum ersten seiner elf Saisonerfolge gerast war, auch für Ferrari reicht, bleibt fraglich. Also hat sich Fernando Alonso schon eine Strategie im Kampf gegen Vettel zurechtgelegt. „Vielleicht sind wir bei diesem Rennen noch nicht so schnell wie manch anderes Team, aber wir wollen ja auch im November Weltmeister sein“, sagte der zweimalige Weltmeister aus Spanien. „Es ist wie die Tour de France mit 20 Etappen. Das ist der Prolog“, befand er.

+++ Schumacher: Bin noch gut genug für die Weltspitze +++

Wer allerdings in den vergangenen zwölf Jahren in Melbourne auf dem ersten Platz landete, hatte immer auch große Chancen auf den WM-Titel am Ende. Siebenmal waren der Australien-Gewinner und WM-Triumphator ein und derselbe.

2000, 2001, 2002 und 2004 hieß er Michael Schumacher. „Das ist ein bisschen zu optimistisch“, antwortete sein Teamchef Ross Brawn am Donnerstag aber auf die Frage nach den Siegchancen von MercedesAMG beim ersten von insgesamt 20 Saisonrennen (07.00 Uhr MEZ/RTL und Sky/Liveticker auf abendblatt.de). „Wir haben uns bestmöglich vorbereitet, aber jetzt müssen wir die ersten drei, vier Rennen abwarten, wo wir stehen“, sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Solange fährt weiter ein bisschen Ungewissheit mit.

Doch Schumacher ist auch mit 43 Jahren und vor seiner 19. Formel-1-Saison noch heiß auf die Formel 1. Wenn auch gepaart mit der Gelassenheit des Grandseigneurs der neuen „Champions League“, in der erstmals in der Geschichte der Königsklasse sechs Weltmeister auf einen Schlag an den Start gehen. So lassen weder die Ungewissheit über den aktuellen Leistungsstand seines neuen Silberpfeils, noch ständige Nachfragen nach einer Vertragsverlängerung über 2012 hinaus seinen Ruhepuls merklich ansteigen.

„Es gibt keinen festen Zeitpunkt, wann und wie ich zusammen mit dem Team eine Entscheidung treffen werde“, sagte Schumacher. Sein Vertrag bei Mercedes läuft noch bis Ende 2012, eine weitere Verlängerung seiner Karriere ist durchaus denkbar, hängt offenbar weitgehend davon ab, ob die Silberpfeile in diesem Jahr wie erhofft den Anschluss an die Spitze schaffen. Schumacher wartet seit seiner Rückkehr vor zwei Jahren noch auf seinen ersten Podiumsplatz.

„Wir würden uns freuen, weiter mit Michael zu arbeiten, denn das würde bedeuten, dass wir mit dem erfolgreich wären, was wir vorhaben. Wenn Michael im Team bleiben würde, hieße das, dass wir näher an unsere Ziele herangekommen wären“, sagte Teamchef Ross Brawn: „Es gibt keinen Zeitplan. Irgendwann in der Saison wird der Punkt kommen, an dem wir entscheiden, weiterzumachen oder etwas anderes zu tun.“

Dass die bevorstehende Saison seine letzte in der Königsklasse sein könnte, macht für Schumacher keinen Unterschied. „Dieses Jahr ist ganz genauso wichtig wie alle vorherigen Jahre“, sagte der Rekordweltmeister: „Wir hatten einen harten Winter und haben sehr hart gearbeitet, um unsere Ziele zu erreichen und vorwärts zu kommen. Im ersten Rennen wird sich jetzt zeigen, was diese Arbeit wert war. Das ist genauso wie in jedem Jahr. Da macht es keinen Unterschied, wie auch immer meine Zukunft aussieht.“

Schumacher würde sogar Sebastian Vettel einen Sieg gönnen: „Ich bin echt begeistert zu sehen, was Sebastian erreicht hat und noch erreichen wird“, sagte der Mercedes-Pilot: „Er ist ein Freund von mir, und ich kenne ihn schon so lange. Ich habe ihn in den Anfangstagen unterstützt. Also wäre ich sehr stolz.“

Auch Vettel würde der Titel-Hattrick natürlich etwas bedeuten. „Das wäre schon schön“, sagte der 24-Jährige, dem in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts promit im Auftrag des Sport-Informations-Dienstes (SID) 56,6 Prozent der deutschen Sportfans die erneute Titelverteidigung zutrauen. (dpa/sid/abendblatt.de)