Der Mercedes-Motorsportchef über das dritte Formel-1-Jahr der Silberpfeile, Schumacher und umweltverträglichen Motorsport.

Hamburg. Am Sonntag beginnt in Melbourne die 63. Saison der Formel 1. Neben der Jagd auf Weltmeister Sebastian Vettel steht besonders Mercedes im Blickpunkt - schaffen die Silberpfeile im dritten Jahr endlich den Sprung an die Spitze? Fragen an Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, 59.

Hamburger Abendblatt: Herr Haug, das Mercedes-Formel-1-Team startet in die dritte Saison. Eigentlich wollten Sie in diesem Jahr um die Weltmeisterschaft fahren. Wie nah sind Sie diesem Ziel?

Norbert Haug: Unser Ziel ist und bleibt, um den Titel zu fahren. Wie jedes andere neu formierte Team brauchen wir dazu eine Aufbauzeit. Fünf Jahre bis zum ersten Sieg ist dabei eine Zeitspanne, welche die Allerbesten schaffen. Wir starten jetzt in unser drittes Jahr.

Und was erwarten Sie da?

Haug: Eine erkennbare Steigerung gegenüber dem letzten Jahr.

Der W03 erscheint deutlich zuverlässiger und ausgereifter als das Vorjahresmodell zum gleichen Zeitpunkt.

Haug: Wir werden am Wochenende in Melbourne sehen, wie stark unsere Konkurrenz ist und wie wir im Vergleich dazu aussehen. Unsere Saisonvorbereitung war sicherlich die beste, die wir bisher hatten.

Hängen die Verbesserungen auch mit dem neu zusammengestellten technischen Team zusammen? Mercedes hat mit Aldo Costa und Geoff Willis zwei hochkarätige Designer verpflichtet.

Haug: Ganz bestimmt. Und ich denke, dass wir jetzt besser aufgestellt sind und so die Basis für unseren Plan geschaffen haben, schrittweise nach vorne zu kommen. Wie weit wir sind, hängt davon ab, wie wir im Vergleich zur Konkurrenz aussehen. Das wird - wie gesagt - erstmals am Wochenende in Melbourne klar werden.

Sind die technischen Regeländerungen ein Vor- oder Nachteil für Sie?

Haug: Sie sind für alle gleich. Ich hoffe, wir haben sie für pfiffige Ideen genutzt.

Gibt es technische Überraschungen, die Sie noch nicht gezeigt haben?

Haug: Überraschungen sind ja keine mehr, wenn man sie verrät. Am Wochenende legen alle Teams die Karten auf den Tisch, so viel ist sicher.

Bleibt Red Bull der Branchenprimus?

Haug: Wer zwei Titel in Folge gewinnt, ist allemal der Primus und der Favorit, das gilt für Sebastian Vettel wie für sein Team.

Ihr Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche hat sich für eine Verlängerung des Vertrags mit Michael Schumacher ausgesprochen. Wann können wir mit einer Entscheidung rechnen?

Haug: Wir alle im Team konzentrieren uns voll und ganz auf die Saisonvorbereitung und auf den Saisonstart. Wir haben dann später alle Zeit, uns mit Michael zusammenzusetzen und gemeinsam unsere Pläne zu besprechen.

Wo sehen Sie denn Schumacher mit seinen 43 Jahren fahrerisch?

Haug: Michael ist der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten und sicherlich der Formel-1-Fahrer mit der größten Erfahrung. Sieben WM-Titel und 91 Siege sind unerreicht und werden das womöglich auch für immer bleiben. Michael gehört nach meiner Einschätzung heute immer noch zu den allerbesten Fahrern der Formel 1, wie seine Rennen und Überholvorgänge im letzten Jahr gezeigt haben. Er wird so weit vorne fahren, wie es ihm sein technisches Rüstzeug möglich macht. Gleiches gilt für Nico Rosberg, der zu den Allerbesten im Feld gehört.

Wo ordnen Sie Nico Rosberg denn ein?

Haug: Nico hat einen sehr hohen Standard. Die letzten beiden Jahre mit uns haben ihn weitergebracht und reifer gemacht. Ich traue Nico zu, dass er Rennen und Titel gewinnt, sobald wir als Team die Voraussetzungen dafür schaffen, und daran arbeiten wir extrem hart und extrem konzentriert.

Mittelfristig soll die Formel 1 sparsamer und umweltfreundlicher werden. Sehen Sie Ihren Sport auf dem richtigen Weg?

Haug: Absolut. Wir bei Mercedes-Benz waren immer ein Treiber dieses Gedankens. Die neue Motorengeneration ab 2014 wird bei gleicher Leistung rund 30 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen - ein Quantensprung. Gleichzeitig werden im Fünfjahreszeitraum die Kosten weiter gesenkt, was ein enorm wichtiges Anliegen für uns ist, das wir immer propagiert und umgesetzt haben.

Früher galt der Spruch: sonntags gewinnen, montags verkaufen. Welche Bedeutung hat die Formel 1 heute für einen Hersteller wie Mercedes?

Haug: Der gilt heute immer noch. Aber wir verkaufen auch dienstags, mittwochs, donnerstags, freitags und auch samstags gerne und mit viel Erfolg - im letzten Jahr mehr denn je in unserer 125-jährigen erfolgreichen Firmengeschichte. Unsere in der Formel 1 und der DTM gezeigte Wettbewerbsbereitschaft und die erzielten Erfolge spielen dabei zweifellos beim interessierten Kundenkreis eine positive Rolle.

Wie lange bleiben Sie in der Formel 1? Gibt es Vorgaben des Unternehmens?

Haug: Wir sind 2012 im 20. Jahr in Folge in unserem aktuellen Formel-1-Engagement unterwegs. In den letzten 15 Jahren haben wir mit unseren Partnern sechs Weltmeistertitel bei Fahrern und Konstrukteuren geholt und 79-mal Platz eins bei Formel-1-Rennen belegt. Solange die Formel 1 uns die richtige, weltweit wirksame Plattform bietet, werden wir aktiv sein. Und wir wollen nach unserer Aufbauzeit mit unserem jungen Silberpfeil-Werksteam an die Erfolge der letzten 15 Jahre anknüpfen.