Skispringerin Ulrike Gräßler vor dem Weltcupfinale über den langen Kampf um Anerkennung und den Vergleich mit Männern

Hamburg. Es gibt Sportlerinnen wie Biathletin Magdalena Neuner, die für ihre Erfolge die entsprechende Anerkennung und Entlohnung erhalten. Für Skispringerin Ulrike Gräßler ist es dorthin noch ein weiter Weg. Die 24-Jährige aus Klingenthal startet morgen in Oslo zum letzten - in dieser Saison erstmals ausgetragenen - Weltcup des Jahres. Derzeit liegt sie als beste Deutsche auf Rang vier.

Hamburger Abendblatt:

Frau Gräßler, springen Frauen anders Ski als Männer?

Ulrike Gräßler:

Unsere Besten sind technisch nicht schlechter als die Männer. Natürlich haben wir nicht von Natur aus die gleiche Sprungkraft. Aber es fällt auf, dass wir immer weiter aufschließen. Wir brauchen das bisschen mehr Geschwindigkeit, dann können wir die Schanzen genauso ausspringen.

Die Männer küren ihren Skiflugweltmeister. Würde Sie das auch reizen?

Gräßler:

Sehr sogar. Bisher steht mein Rekord bei 146 Metern. 200 Meter sind mein Traum. Ich hoffe, dass sich irgendwann eine offizielle Gelegenheit ergibt, ihn zu erfüllen. Zutrauen würde ich es mir in jedem Fall.

Inzwischen ist Skispringen der Frauen olympisch, 2014 ist es erstmals im Programm. Sehen Sie sich schon am Ziel Ihres Kampfs um Anerkennung?

Gräßler:

Wir haben mit Olympia und dem Weltcup wichtige Weichen gestellt. Es geht jetzt richtig vorwärts. Aber wir sind sicher noch nicht am Ende der Entwicklung. Ich würde mir für die nächste Saison mehr Wettkämpfe wünschen. Es gab doch sehr viele Pausen. Schön wäre auch, ein paar größere Schanzen ins Programm aufzunehmen. Ein Teamwettbewerb fehlt ebenfalls noch.

Dachten Sie jemals an Aufgabe?

Gräßler:

2010 war ich kurz davor. In der olympischen Saison war ich richtig gut in Form und bei fast jedem Springen auf dem Podest. Aber es hat letztlich niemanden interessiert. Umso bitterer war, dass wir bei Olympia nicht starten durften. Mag sein, dass ich ein bisschen die Motivation verloren hatte. Das ist in diesem Jahr wieder anders. Die Wettkämpfe machen mehr Spaß.

Können Skispringerinnen inzwischen von ihrem Sport leben?

Gräßler:

Das wohl nicht. Die Preisgelder sind eher eine willkommene Zugabe. Früher wurden an die besten sechs eines Springens insgesamt 1200 Euro ausgeschüttet. Jetzt gibt es allein für einen dritten Platz 1000 Euro. Und auch ein 15. Platz wird noch mit Preisgeld honoriert. Das ist als Anreiz wichtig. Aber mein finanzielles Standbein bleibt der Job bei der Bundespolizei.

Was war anstrengender in den vergangenen Jahren: um Medaillen zu kämpfen oder um Anerkennung?

Gräßler:

Mir ist spät bewusst geworden, wie viel Energie es tatsächlich gekostet hat, sich immer rechtfertigen zu müssen. Und dann sollte man auch noch im Wettkampf durch Leistung überzeugen. Das ist ja umso wichtiger, wenn man sich für Anerkennung einsetzt. Das war schon ermüdend. Heute sage ich: Jede Sportart, die olympisch ist, kann froh sein, denn sie wird nicht mehr hinterfragt. Jetzt fahren wir zum Weltcup, das erübrigt jede weitere Diskussion.

Welche Kritik hörten Sie zumeist?

Gräßler:

Oft wurde - nicht ganz zu Unrecht - moniert, einige Springerinnen seien zu jung. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, haben wir ein Mindestalter von 15 Jahren eingeführt. Dann hieß es wieder, es gebe im Vergleich zu den Männern zu wenig Topspringerinnen. Nur: Wenn man bei uns unter die ersten drei springen will, muss alles passen. Im Übrigen will ich nicht ständig mit den Männern verglichen werden, das macht im Langlauf doch auch niemand. Entweder ein Wettkampf ist interessant oder eben nicht.