Die deutschen Biathleten haben die erste Chance auf Gold vergeben. Bei der Heim-WM in Ruhpolding reichte es für die Mixed-Staffel nur zu Bronze.

Ruhpolding. Nichts drückte die Dramatik in der vollgepfropften Chiemgau-Arena besser aus als die Stille vor dem Schuss. Beim ersten Mal, als der Biathlet Arnd Peiffer schon etwas hektisch nach einer neuen Patrone fingerte, hallten vereinzelte Ermunterungsrufe von der Tribüne hinter ihm, beim zweiten Mal drang nur noch ein einziger schriller Verzweiflungsschrei hinüber. Bei der dritten Nachlade-Prozedur traute sich niemand mehr.

Die Stimmung entlud sich erst in einem kollektiven "Ooohh" - daneben. Der Ruhpoldinger Trauerchor, am Donnerstag zum Auftakt der Weltmeisterschaft 26.000 Kehlen stark, begleitete den deutschen Skijäger in die Strafrunde, den unglücklichen Peiffer, der eigentlich "schon auf dem Weg zum Weltmeistertitel war", wie es Cheftrainer Uwe Müßiggang sah, um dann mit Bronze abgespeist zu werden. "Das tut schon weh. Ich ärgere mich vor allem über mich selber", entfuhr es dem 24 Jahre alten Niedersachsen. Ob es nun allein die Nerven waren oder vielleicht die tief stehende Sonne, die nach Aussage von Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig direkt in Peiffers Diopter geschienen habe, war abschließend nicht zu klären. Der Schlussläufer verlor mit dem Stehendschießen den Spitzenplatz, den sein Vorgänger in der Mixed-Staffel, Andreas Birnbacher, herausgelaufen hatte, an den Slowenen Jakov Fak. Auf dem Weg ins Ziel wurde Peiffer auch noch vom Norweger Emil-Hegle Svendsen überholt.

Auch wenn der skandinavische Weltmeister als Zweiter hinter Fak den Zielstrich überkreuzte, konnte er wie ein Sieger jubeln. Die Wettkampfleitung hatte alle Teams vor dem letzten Schießen über eine Zeitgutschrift von 28,4 Sekunden für Norwegen informiert. Beim ersten Schuss des Olympiasiegers Ole-Einar Björndalen hatte das Computersystem einen Aussetzer, wie der zuständige Wettkampfleiter des Weltverbandes IBU mitteilte. Trotz eines klaren Treffers blieb die Scheibe schwarz. Björndalen lud nach und lief die Strafrunde, wofür er exakt 28,4 Sekunden brauchte, während die norwegische Mannschaftsleitung die IBU auf den Fehler hinwies. So fiel Gold Norwegen zu (1:12:29,3 Std.), Silber ging an Slowenien (+20,2). "Das sollte im Rennen nicht passieren, weil es schade ist, wenn ein Zieleinlauf verfälscht wird", grantelte Bundestrainer Hönig über die zweite gröbere Panne des Tages. Von kleineren Patzern im Lager der Deutschen ganz zu schweigen. Magdalena Neuner leistete sich bei der ersten Schießeinlage - liegend war sie bis dato mit einer Trefferquote von 88 Prozent gesegnet - einen Wackler. "Auf diesem Niveau darfst du dir keine Schwächen erlauben", bilanzierte Müßiggang. "Für Gold hätte alles passen müssen." Stehend schoss Neuner zweimal daneben.

Beim Einlauf in die Arena war ihr nichts vom Druck anzumerken, den sie sich selbst auferlegt hatte. Sie schritt mit wippendem Pferdeschwanz energisch zur Tat. Sechs Medaillen sollen es bei ihrer Heim-WM werden, gleich zu Beginn wollte sie Gold absahnen. Vom Trubel schützte sie sich mit Ohrstöpseln, doch als sie als Sechstplatzierte das Rennen von Henkel übernahm, habe sie sich dann doch "in die Zeit reintreiben lassen", wie Coach Hönig vermutete. Die wilde Hatz weiter vorn und tadellose Vorstellungen ihrer Widersacherinnen beim Schießen hätten Neuner zu Schnellschüssen verleitet.

"Ungewöhnlich nervös" war Neuner vor ihrem letzten Großereignis, wie sie zugab. Die lautstarke Kulisse mit Fahnenmeer beeindruckte auch eine abgezockte Skijägerin wie Andrea Henkel. Die Startläuferin, seit 1996 im Weltcup dabei und mit zwei Olympiasiegen dekoriert, wunderte sich, dass sie aus Freude "von überall her angebrüllt" werde. Auch sonst lief gestern wenig nach Wunsch. Henkel beklagte ein großes Gewusel nach dem Start und gar einen "Stau am Omega", einer Kehre unterm Ruhpoldinger Zirnberg. Auch die als Scharfschützin bekannte Thüringerin musste dreimal nachladen.

Damit es nun keine verhagelte WM wird, stehen die deutschen Skijäger bei den Sprintwettbewerben am Sonnabend unter Zugzwang. Weil dem sonst so zuverlässigen Peiffer ein Lapsus unterlief, ruhen die Hoffnungen auf Birnbacher. Der 30-Jährige, der mit drei Weltcupsiegen in dieser Saison endlich den Durchbruch schaffte, hat sich offenbar für die nächsten Tage einiges vorgenommen. Er sauste am schnellsten von allen Männern um die 7,5 Kilometer lange Schleife und traf zehnmal. Neuerdings ist er auch mit unerschütterlichem Selbstvertrauen ausgestattet. Während Henkel, Neuner und Peiffer bedröppelt in der Ecke kauerten, grinste Birnbacher. Er war mit seiner Leistung zufrieden. "Einer musste ja aus dem Rahmen fallen."