Mercedes präsentiert seinen Formel-1-Boliden. Der Rekordchampion ist zufrieden, die Testzeiten überzeugen noch nicht

Barcelona. Eine Schönheit ist er nicht, der neue Mercedes-Silberpfeil W 03. Als Michael Schumacher und Nico Rosberg gestern um 8.24 Uhr in der Boxengasse des Circuit de Catalunya nördlich von Barcelona die schwarze Plane von ihrem neuen Dienstwagen zogen, kam ein Auto zum Vorschein, das wie alle anderen Fahrzeuge des Formel-1-Jahrgangs 2012 von einem hässlichen Höcker in der Front geprägt wird. Einige Beobachter spotteten von einem "silbernen Storch". Trotzdem behauptete Schumacher, als hätte er ein Traumauto vor sich: "Ich bin angetan von diesem Auto."

Der neue Mercedes war für die Fahrer allerdings kein unbekanntes Fahrobjekt mehr. Rosberg und Schumacher hatten schon am vergangenen Donnerstag in Silverstone jeweils 50 Kilometer abgespult, am Sonntag durfte das Team in Barcelona unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem Privattest 300 Kilometer auf die Piste brennen, weil Mercedes die ersten Testfahrten in Jerez ausgelassen hatte. Und am Montag fuhr das Auto noch in einem sogenannten "Filmtest" für Werbeaufnahmen hin und her.

Als gestern Abend an der Strecke die Tagesbestzeiten veröffentlicht wurden, war allerdings eigentlich alles wie immer. Die schnellste Runde hatte der Weltmeister gedreht. Für Sebastian Vettel im neuen Red Bull wurden 1:23,265 Minuten gestoppt. Michael Schumacher war an diesem Tag als Sechster 0,885 Sekunden langsamer. Der Altmeister konnte nur 51 Runden zurücklegen, ehe ihn Hydraulikprobleme zurück an die Box zwangen.

Viel wichtiger als Testzeiten war allerdings der Versuch einer Antwort auf die Frage: Was macht Mercedes im dritten Jahr seines Formel-1-Abenteuers anders und vor allem besser?

Michael Schumacher sprach von einem "gewissen positiven Fazit". Mercedes-Sportchef Norbert Haug wurde konkreter: "Ich glaube, wir haben ein ganz ordentliches Auto. Mir gefällt es ganz gut. Aber ich kann nicht garantieren, dass die Konkurrenz nicht ein viel besseres hat."

Die in den vergangenen Monaten neu aufgebaute Mercedes-Ingenieurabteilung verfügt mit Bob Bell, Geoff Willis und Aldo Costa inzwischen über ein Allstar-Team. Die Techniker haben dem Rennwagen zwar nicht den sensationellen Clou, dafür aber einige interessante Details verpasst. Neben der spitzen Nase, die in einer hohen Stufe krass abfällt, einem völlig neu entwickelten Frontflügel und flachen Seitenkästen haben sich die Silberpfeil-Konstrukteure unter anderem für einen verlängerten Radstand entschieden, der das Auto gutmütiger macht. Auch das Gesamtpaket wurde leichter, sodass auf jeder Rennstrecke mehr Spielraum bleibt, das Gewicht auszubalancieren.

Wohin letztlich in der endgültigen Rennversion die Auspuffgase gelenkt werden, blieb bei der Präsentation noch offen. Das Heck wirkt aufgeräumter als beim Vorjahresmodell und bietet mehr Platz für überraschende Lösungen, die man in Barcelona noch nicht zeigen wollte, zum Beispiel Flügelelemente auf den Diffusoren.

"Wir sind so gut vorbereitet wie noch nie", sagte Teamchef Ross Brawn, der die aerodynamischen Details des Autos seinen Spezialisten überlassen hat. Mercedes stellte sein Fahrzeug zwar als letztes Topteam vor, doch sagte Brawn jetzt: "Das Auto war im Grunde schon länger fertig." Seither habe man an Prüfständen gearbeitet und die Zeit genutzt, die sich die Konkurrenz nicht genommen habe. Der verspätete Einstieg hatte einen weiteren Vorteil: Mercedes konnte die neuen Ergebnisse der Reifen des Monopolherstellers Pirelli am alten Fahrzeug mit den Daten aus dem Vorjahr vergleichen.

Michael Schumacher blieb bei seiner Manöverkritik im Ungewissen. "Unsere Marschroute ist, uns zu verbessern, und das will ich umsetzen", sagte er. "Wenn wir das hinkriegen, dann habe ich sicher viel Spaß dabei." Genau davon werde es abhängen, ob der siebenmalige Champion nach Ende seines Dreijahresvertrags bei Mercedes weitermacht. Bislang sieht Brawn keine Indizien, dass Schumacher ans Aufhören denken könnte.

Norbert Haug ließ die Fahrerfrage offen. Er bekräftigte nur das Vorhaben des Stuttgarter Herstellers: "Wir waren zweimal Vierter. Das endgültige Ziel ist es, Rennen zu gewinnen und auch den WM-Titel zu holen. Das braucht aber Aufbauzeit, wie bei allen anderen auch." Seit Mercedes vor zwei Jahren das damalige Weltmeisterteam von Ross Brawn übernommen hatte, warten die Silbernen immer noch auf den ersten Formel-1-Sieg. Schumacher stand seit seinem Comeback noch nicht einmal auf dem Podium. "Es geht nicht in drei Jahren in die Spitze", sagte Haug, was darauf hinweist, dass Mercedes sein Grand-Prix-Engagement mittelfristig fortsetzen wird. Teamchef Brawn fordert schon in dieser Saison Resultate: "Wir müssen uns auf jeden Fall weiterentwickeln."

Heute wird Nico Rosberg den Mercedes zur Probe fahren.