Weltmeister Manuel Machata will in Lake Placid seinen Titel verteidigen. Die Risiken des Bobfahrens blendet er aus

Hamburg. Manuel Machata ist Viererbob-Weltmeister und Geschwindigkeitsjunkie. Ruhige Momente gibt es im Leben des 27-jährigen Ausnahmepiloten nur selten. "Mir wird halt schnell langweilig", sagt der Berchtesgadener Bundeswehrsoldat, der am Sonnabend beim Weltcup-Finale in Calgary (Kanada) in der Königsdisziplin Vierer dank Bestzeiten in beiden Läufen den ersten Platz belegt hat. Bei der am kommenden Freitag beginnenden WM im US-amerikanischen Lake Placid (bis 26. Februar) will der einzige Brillenträger unter den Bobpiloten seinen Titel verteidigen. Eine reizvolle Aufgabe für einen, der selbst im Sommer Vollgas gibt und als legitimer Nachfolger von Weltklassefahrer André Lange gilt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Machata, Sie werden von Ihren Teamkollegen nicht nur "Machete", sondern auch Dachs genannt. Glaubt man der Fabelwelt, ist der Dachs ein ruhiges, bedächtiges Tier. Eigenschaften, die auch auf Sie zutreffen?

Manuel Machata:

Das könnte man so sagen. Ich ziehe mich gerne in meinen "Bau" zurück. Wenn ich vor einem Wettkampf nichts zu tun habe, liege ich auf meinem Zimmer und entspanne mich. Ich bin eher ein ruhiger Typ.

Dafür sind Sie aber ziemlich aktiv. Im Winter jagen Sie mit dem Bob den Eiskanal hinunter, im Sommer fahren Sie Autorennen ...

Machata:

Ich liebe die Geschwindigkeit. Sie ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Es klingt vielleicht seltsam, aber Bobfahren und Autorennen haben eine ausgleichende Wirkung auf mich. Wenn ich diesen Adrenalinkick habe, beruhigt mich das irgendwie.

Können Sie das näher beschreiben? Wie ist das, wenn man mit 130 Kilometern pro Stunde eine Eisbahn hinunterbrettert?

Machata:

Das kann man schlecht mit irgendetwas vergleichen, was man als Normalbürger kennt. Beim Bobfahren wirken von überall her Kräfte auf einen. Bis zu acht G werden in einer Kurve erreicht. Ab dieser Kräfteeinheit sind bei untrainierten Menschen Schleudertraumata oder Knochenbrüche zu befürchten. Das ist wie eine 3-D-Achterbahnfahrt - nur viel intensiver. Kleinste Unebenheiten verpassen dem Körper starke Schläge, man wird hin und her gedrückt. Es ähnelt vielleicht am ehesten dem Gefühl beim Kunstfliegen.

Haben Sie das auch schon ausprobiert?

Machata:

Nein, aber es steht ganz oben auf meiner To-do-Liste. Ich muss zugeben, dass ich davor allerdings ein wenig Angst habe. Was Kunstflugpiloten in der Luft leisten, ist einfach unglaublich. Im Gegensatz zu uns Bobpiloten sind die ja auch noch kopfüber unterwegs.

Beim Bobfahren ist Angst dagegen sicherlich ein schlechter Begleiter.

Machata:

In der Tat. Das ist kein Sport für Angsthasen. Man muss immer mit Respekt ans Werk gehen. Aber Angst wäre hinderlich.

Ganz ungefährlich ist der Sport dennoch nicht. Vor einigen Wochen verunglückte der Viererbob der Kanadier beim Training in Altenberg. Wie gehen Sie mit dem Risiko um?

Machata:

Daran versuche ich nicht zu denken. Natürlich hat der Sport Risiken - so wie alles, was mit Geschwindigkeit zu tun hat. Wir sitzen in einem Bob ohne Gurte. Wir halten uns mit bloßen Händen am Gerät fest und haben außer unseren Helmen keinen weiteren Körperschutz am Leib. Wenn etwas passiert und der Bob bei hohem Tempo umkippt, kann man kaum vorhersehen, wie die physikalischen Kräfte auf einen wirken. Deshalb ist es entscheidend, dass man äußerst konzentriert ins Training und in die Rennen geht.

Sind Sie schon einmal gestürzt?

Machata:

Natürlich. Gerade am Anfang passiert das häufiger. Aber mein Team und ich hatten bislang immer Glück. Abgesehen von einer Gehirnerschütterung habe ich mich nie ernsthaft verletzt. Und ich hoffe, das bleibt auch so.

Was ist eigentlich schwieriger zu lenken: ein Zweier- oder ein Viererbob?

Machata:

Im Grunde ist beides schwierig. Aber man könnte sagen, dass ein Zweierbob mit einem Kleinwagen vergleichbar ist und der Viererbob mit einem Kombi. Der Zweierbob liegt viel nervöser in der Bahn, er ist leichter und schlechter zu kontrollieren. Der Viererbob hingegen hat deutlich mehr Gewicht. Aber wenn man damit einen Fehler begeht, ist es ungleich schwieriger, ihn wieder in die Spur zu bringen.

Eine entscheidende Rolle spielen auch die Anschieber. Bundestrainer Christoph Langen hat einmal gesagt, die ersten 50 Meter nach dem Start würden bereits über die Medaillen entscheiden.

Machata:

Das trifft in der Regel tatsächlich zu. Sieg oder Niederlage basieren im Grunde auf drei Komponenten: Anschub, Material und Fahrvermögen. Abgesehen davon ist der Erfolg manchmal aber auch wetterabhängig. Wenn es schneit, wird die Bahn langsamer. Ein bisschen Glück muss bei einer Outdoor-Sportart also schon dabei sein, wenn man auf dem Treppchen landen will.

Und wo landen Sie bei der WM in Lake Placid?

Machata:

Das ist schwer zu sagen. Die Weltspitze ist dicht gedrängt. Kanada, Amerika und Russland haben starke Fahrer. Fast jede Nation bietet ein sehr gutes Team auf. Da kann man nur schwer eine Prognose wagen.

Sie gelten dennoch als einer der Favoriten und legitimer Erbe von Ausnahmefahrer André Lange, der seine Karriere im vergangenen Jahr beendet hat. Ist das eher Auszeichnung oder Bürde?

Machata:

Weder noch. Wir leben zwei unterschiedliche Leben, sind zwei ganz verschiedene Personen. Hier einen Vergleich anzustellen wäre unangemessen.

Zumal Sie neue Wege in der Vermarktung Ihrer Sportart gehen. Sie haben schon an der Wok-WM von Stefan Raab teilgenommen und ein Kalender-Shooting mit freiem Oberkörper absolviert.

Machata:

Beides waren Ideen meines Managers. Uns ist es wichtig, den Menschen zu zeigen, dass wir Bobfahrer nicht nur Männer mit Helmen sind, sondern Persönlichkeiten, die viel in den Sport investieren. Niemand bekommt mit, wie hart wir trainieren. Mit dem Kalender-Shooting konnte ich zeigen, dass wir sehr athletisch und weit weg von den schweren Jungs sind, die der Sport früher hervorgebracht hat.

Weiterentwickelt haben sich auch die Geräte. Für Olympia 2014 in Sotschi wird am Institut für Forschung und Entwicklung für Sportgeräte in Berlin extra ein neuer Schlitten entworfen.

Machata:

Es wird immer ein neues Material, eine neue Kufenform geben, die einen Bob noch schneller macht. Forschung ist ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die Winterspiele.

Glück aber auch. Haben Sie einen Talisman, wenn Sie in Lake Placid an den Start gehen?

Machata:

Im Grunde schon. In meinem rechten Rennschuh befindet sich ein Glückscent. Den habe ich da mal zufällig drinnen entdeckt und seitdem auch nicht mehr rausgenommen. Er ist mir quasi zugelaufen. Vielleicht zeigt er ja auch bei der WM wieder Wirkung.