Sportgespräch mit Fedcup-Teamchefin Barbara Rittner vor dem Tennisduell am Wochenende gegen Tschechien

Stuttgart. Es liegt nicht nur am sportlichen Erfolg, dass Barbara Rittner kaum einen Schritt unbeobachtet gehen kann. Die 38 Jahre alte Fedcup-Teamchefin der deutschen Tennisdamen hat ihren Jack-Russell-Terrier Sophie fast überall dabei, der Hund weicht seiner Herrin nicht von der Seite. Auch das am Rande einer Trainingseinheit in der Porsche-Arena geführte Gespräch mit dem Abendblatt belauscht Sophie mit Interesse. Für das Duell am Sonnabend (12 Uhr, SWR live) und Sonntag (11 Uhr, EinsPlus live) in Stuttgart mit Titelverteidiger Tschechien um Wimbledonsiegerin Petra Kvitova, der Nummer zwei der Damen-Welt, hat Rittner die Weltranglisten-14. Sabine Lisicki und Julia Görges (Nr. 21) als Einzelspielerinnen nominiert. Der Sieger der Partie trifft am 21./22. April im Halbfinale auf die Ukraine oder Italien.

Hamburger Abendblatt:

Frau Rittner, am Wochenende fordern Sie zum Auftakt des Fedcup-Wettbewerbs Titelverteidiger Tschechien heraus. Die Porsche-Arena wird wohl an beiden Tagen mit 4400 Zuschauern ausverkauft sein. Sind Sie stolz darauf, eine neue Tennis-Euphorie in Deutschland entfacht zu haben?

Barbara Rittner:

Ich finde, dass sich die Mädels das gesteigerte Interesse verdient haben. Wir bekommen natürlich mit, dass sich wieder mehr Menschen für uns begeistern, und das ist toll. Ich denke, dass unsere offensive Zielsetzung dazu beiträgt, dass die Öffentlichkeit uns wieder etwas zutraut.

Sie sprechen offen davon, den Titel holen zu wollen. Ist der Druck, den Sie damit erzeugen, nicht zu hoch?

Rittner:

Für uns ist das kein Druck, denn alle meine Spielerinnen glauben fest daran, den Titel gewinnen zu können. Der fehlt uns noch. Es ist kein unrealistisches Ziel. Ich glaube, dass wir alle damit umgehen können.

Sie waren 1992 beim bisher letzten deutschen Fedcup-Sieg als Aktive im Team. Was hat die heutige Mannschaft, das sie befähigt, die Nachfolge des 1992er-Teams anzutreten?

Rittner:

Das ist schwer zu vergleichen, weil wir damals mit Steffi Graf die absolute Nummer eins hatten und dazu mit Anke Huber eine weitere Topspielerin. Das heutige Team zeichnet sich dagegen durch seine Geschlossenheit aus. Wir haben fünf Spielerinnen unter den besten 40 der Welt, und alle haben aufsteigende Tendenz. Sie sind noch jung und haben sehr viel Potenzial. Die Mädels kennen sich teils seit der Jugend, sind eng befreundet und pushen sich durch ihre Erfolge gegenseitig enorm. Wir treten als echtes Team auf, und damit kann man das Fehlen einer absoluten Topspielerin wettmachen. Außerdem haben wir so viel Qualität, dass wir auf jeden Gegner individuell reagieren können. Diese Ausgeglichenheit ist ein weiteres Plus.

Was ist derzeit Ihre wichtigste Aufgabe?

Rittner:

Meine Aufgabe ist es in erster Linie, viele Einzelgespräche zu führen, die Aufmerksamkeit gerecht zu verteilen und eine positive Spannung zu erzeugen, damit alle mit viel Spaß an die Arbeit gehen. Meine Stärke ist es, dass ich sehr individuell auf die einzelnen Charaktere eingehen kann.

Das wird in naher Zukunft noch wichtiger werden, wenn Ihre derzeit verletzte Nummer eins, Andrea Petkovic, und die zuletzt sehr starke Mona Barthel ins Team drängen. Haben Sie Sorgen, dass das Klima rauer wird, wenn alle fit sind?

Rittner:

Das ist doch ein Problem, wie es sich eine Teamchefin nicht schöner wünschen kann. Natürlich ist die Entscheidung immer hart, das war sie auch diesmal. Sabine Lisicki war als unsere Nummer eins und mit ihrer Fedcup-Historie gesetzt, aber das Rennen zwischen Angelique Kerber und Julia Görges war sehr eng. Die beiden spielen derzeit auf Augenhöhe. Letztlich war es eine Bauchentscheidung, die ich erst am Freitagmorgen getroffen habe. Aber dafür bin ich Teamchefin, und ich erwarte, dass die, die dann nicht nominiert werden, sich in den Dienst des Teams stellen und da sind, wenn sie gebraucht werden. Das ist ein Lerneffekt, an dem wir alle wachsen können.

Dass es nicht immer ohne Reibungspunkte abgeht, war in Australien zu sehen, als Sie Julia Görges nach deren Achtelfinalaus gegen die Polin Agnieszka Radwanska hart kritisierten. Warum waren Sie derart sauer?

Rittner:

Ich war eher enttäuscht, weil ich die Gefahr gesehen habe, dass die Jule durch so einen Auftritt viel von dem Respekt einbüßt, den sie sich hart bei ihren Gegnerinnen erarbeitet hat. Einer wie ihr, die noch weiter nach oben will, darf so etwas nicht passieren. Es ist meine Pflicht als Bundestrainerin, mich in so einem Fall auch mal kritisch zu äußern. Dass davon einiges unglücklich rüberkam und die Jule darüber im ersten Moment ein wenig verstimmt war, konnte ich verstehen. Wichtig war, dass wir uns direkt am nächsten Tag im Beisein ihres Trainers Sascha Nensel ausgesprochen haben.

Konnte Julia nachvollziehen, warum Sie sich so über sie geärgert hatten?

Rittner:

Mit einem Tag Abstand und der notwendigen Selbstreflexion hat sie eingesehen, dass ihr so etwas nicht noch mal passieren darf. Und nur darum geht es mir doch, wenn ich Kritik übe. Ich will niemanden verletzen, sondern mit konstruktiver Kritik weiterhelfen.

Hand aufs Herz: Wie häufig trauern Sie noch der Zeit nach, als Sie selbst als Spielerin auf dem Court standen?

Rittner:

Gar nicht mehr. Das war am Anfang meiner Trainerkarriere mal kurz ein Thema, aber danach nie wieder. Es war eine tolle Zeit, aber ich bin sehr glücklich mit dem, was ich jetzt tue. Ich habe darüber ausführlich mit Anke Huber geredet. Als Spielerin weiß man nicht oft genug zu schätzen, wie toll der Job ist, den man macht, weil man das normale Leben gar nicht mehr wahrnimmt und vieles als gegeben ansieht. Mir hat man früher oft gesagt, dass ich meine aktive Karriere genießen soll, da das Leben danach sehr lang ist. Ich versuche, das auch meinen Spielerinnen zu vermitteln, dass sie ihre Karriere genießen, aber auch daran denken, dass es ein Leben danach gibt. Ich hatte das Glück, dass der Posten, auf dem ich jetzt sitze, gerade frei wurde, als ich aufhörte. Ich hatte das nie geplant.

Sind Sie jetzt, da Sie Erfolge sehen und eine Entwicklung nachweisen können, zufrieden mit dem Erreichten oder sind Sie auch als Bundestrainerin die Getriebene, die Sie als Spielerin immer waren?

Rittner:

Ich bin schon zufrieden mit der Arbeit der vergangenen Jahre, vor allem mit der Qualität der Spielerinnen, weil ich mich genau erinnere, wie ich noch vor wenigen Jahren belächelt wurde, wenn ich um noch ein wenig Geduld gebeten habe. Ich werde häufig von internationalen Kollegen angesprochen, wie toll es ist, was wir aufgebaut haben. Ich hinterfrage mich auch stets selbst, benote meine Arbeit. Letztlich werde ich erst wirklich zufrieden sein, wenn wir den Fedcup gewonnen haben.

Ist Ihnen dieser Titel fürs eigene Ego wichtig oder weil Sie Ihren Spielerinnen diesen Triumph gönnen?

Rittner:

Mir fehlt der Titel als Bestätigung meiner Arbeit, und für meine Spielerinnen würde es mich immens freuen, weil ich weiß, dass einem niemand solche Triumphe nehmen kann. Sie sorgen für eine tiefe Genugtuung.

Für diesen Erfolg tun Sie viel mehr, als Ihre Stellenbeschreibung vorgibt. Nicht zuletzt dank Ihrer Kontakte wurde mit Porsche ein Premiumsponsor fürs Team gewonnen. Fühlen Sie sich für Ihren Einsatz ausreichend wertgeschätzt?

Rittner:

Ich habe mich in den vergangenen Jahren eher als eine Art Teammanagerin betrachtet, da es beim Deutschen Tennisbund lange Zeit nicht möglich war, für die wirtschaftlichen Dinge jemanden einzustellen. Mit dem neuen Präsidium, das seit Mitte November im Amt ist, wird sich das ändern. Ich kann mich von nun an mehr auf das Sportliche konzentrieren.

Finden Sie das gut?

Rittner:

Wenn sich jemand professionell um solche Dinge kümmert, finde ich es gut. Trotzdem erwarte ich gewisse Anerkennung für das, was in den zurückliegenden Jahren entstanden ist, denn ich bin mit viel Herzblut dabei.

Fehlt Ihnen diese Anerkennung?

Rittner:

Ich denke schon, dass das neue Präsidium dankbar für die Rahmenbedingungen ist, die insbesondere durch die Erfolge unserer Damen so gut wie schon lange nicht mehr sind.