Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch ist wieder im Aufwind. Das macht auch ihren Kolleginnen vor dem Heim-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen Mut

Berlin. Was es mit Windschatten auf sich hat, lehrt das Lexikon, wenn auch ein wenig verklausuliert. Demnach ist Windschatten eine Zone geringer Windgeschwindigkeit auf der windabgewandten Seite eines Strömungshindernisses. Klingt kompliziert, spielt aber sogar im Lager der deutschen alpinen Skirennläuferinnen eine nicht unwesentliche Rolle - obwohl dort aus guten Gründen ja keine der anderen hinterherrasen darf auf der Piste.

Im übertragenen Sinne - und wirklich wohlmeinend - ist vielmehr Maria Höfl-Riesch solch ein Strömungshindernis. Ist sie groß in Fahrt und trumpft auf, wird die Zone hinter der unumstrittenen Nummer eins zur Komfortzone für die Kolleginnen. "Die Fokussierung in Deutschland ist natürlich schon extrem auf die Maria gerichtet, und wenn ihre Leistungen stimmen, dann tun sich alle im Team leichter", sagt der Alpindirektor des Deutschen Skiverbands (DSV), Wolfgang Maier.

Zumal, wenn dann auch noch Viktoria Rebensburg oder Lena Dürr gute Leistungen gelängen. Höfl-Riesch selbst sagt: "Gute Leistungen können ein Team beflügeln, auf jeden Fall - ob ich die nun bringe oder jemand anderes, das ist am Ende egal. Trotzdem muss letztlich jeder sein Leistungsvermögen selbst abrufen. Auf der Piste ist man Einzelkämpferin."

Vor dem Weltcup-Wochenende in Garmisch-Partenkirchen dürfen sie im DSV, der Argumentation folgend, gespannt auf vordere Platzierungen ihrer Athletinnen hoffen. Ihren ersten Saisonerfolg im 19. Anlauf vorigen Sonntag in der Super-Kombination (Super-G plus Slalomlauf) in St. Moritz und Platz zwei in der Abfahrt tags zuvor deutet Höfl-Riesch erleichtert als kleinen Durchbruch. "Im Moment ist es schwer, Rennen zu gewinnen", sagte sie, "wenn das länger nicht der Fall gewesen ist, ist es umso schöner."

Bei der Rückkehr an ihren Geburts- und den WM-Gastgeberort von 2011 wähnt sich die 27-Jährige zur Halbzeit des Wettkampfwinters auf dem Weg zu alter Stärke. In den Disziplinen Abfahrt (Sonnabend) und Super-G (Sonntag) hat sie zuletzt aufsteigende Form bewiesen, selbst für die achtmalige amerikanische Saisonsiegerin Lindsey Vonn, 27, "war es keine wirkliche Überraschung, dass Maria in St. Moritz gewonnen hat". Angesichts von 554 Punkten Rückstand auf Vonn hat die drittplatzierte Höfl-Riesch die erfolgreiche Titelverteidigung im Gesamtweltcup inzwischen mehr oder minder abgeschrieben. Und ohnehin mahnt sie zu gemäßigten Ansprüchen: "Alles an diesem perfekten Jahr von mir zu messen, wäre sicherlich falsch."

DSV-Cheftrainer Thomas Stauffer assistiert seiner Vorzeigefahrerin, die die Folgen einer Viruserkrankung vor knapp einem Jahr und infolgedessen eine weitreichende Ernährungsumstellung zu verkraften hatte: "Maria war bei der WM in Garmisch krank, danach ging es darum, den Gesamtweltcup zu gewinnen, den wollte sie unbedingt. Das hat an der Substanz gezehrt, war eine brutale Belastung", sagt Stauffer.

Vor allem hapert es in diesem Winter bei der Olympiasiegerin von Vancouver an Konstanz und an der Materialabstimmung. Als Allrounderin und Vielfahrerin hat Höfl-Riesch wenig Zeit, mal die langen, mal die kurzen Latten zu testen. Leicht gerät sie ins Hintertreffen, wenn Spezialistinnen wie Vonn in Abfahrt und Super-G oder die Österreicherin Marlies Schild im Slalom ein ums andere Mal bestens präpariert abräumen. Im Slalom beispielsweise kam Höfl-Riesch in sechs Saisonrennen dreimal nicht ins Ziel. Und läuft es schlecht, beginnen an der ehrgeizigen Bayerin Selbstzweifel zu nagen.

Cheftrainer Stauffer kommt der Formanstieg seiner Besten just vor dem Heim-Weltcup gelegen. Zumal im Sog von Höfl-Riesch - Stichwort: Windschatten - etwa Viktoria Rebensburg ebenfalls auf Topränge spekuliert. "Ich habe die Rennen in St. Moritz ausgelassen und stattdessen noch einmal intensiv trainiert", sagt die Riesenslalom-Olympiasiegerin.

Mit der forschen Rebensburg hegen sie im DSV ambitionierte Pläne. Stauffer: "In den nächsten Jahren wollen wir mit ihr um den Gesamtweltcup mitfahren." Achte in der übergeordneten Wertung ist die 22-Jährige schon jetzt. Vor allem in den Speed-Disziplinen soll und will sie sich weiterentwickeln. Gerade dort ist das DSV-Frauenteam nicht eben üppig besetzt nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Gina Stechert und Isabelle Stiepel. Veronique Hronek, 20, immerhin ließ Anfang Januar als Super-G-Sechste in Bad Kleinkirchheim schon einmal aufhorchen.

Maria Höfl-Riesch will für die zweite Saisonhälfte jedenfalls "den Aufwärtstrend fortsetzen, und ich werde versuchen, in jedem Rennen das Beste herauszuholen, und dann schauen wir mal, was am Ende noch drin ist".