Novak Djokovic gewinnt das Finale der Australian Open gegen Rafael Nadal nach knapp sechs Stunden Spielzeit

Melbourne. Es war ein Gefühl wie in einer riesigen Dampfsauna, diese schwülfeuchte Sommernacht, in der die Luft in der Rod-Laver-Arena förmlich zu stehen schien. Doch selbst die letzte mörderische Strapaze war nicht zu groß für Novak Djokovic - den Mann, der gleich zum Start in die Tennissaison 2012 mit mächtiger, schier übermenschlicher Willenskraft bewies, dass er sich nicht so leicht als Titelheld bei den Grand-Slam-Turnieren oder als Gipfelbewohner in der Weltrangliste verdrängen lassen will. "Das ist einer der ganz großen Momente in meiner Karriere", sagte der gerührte Serbe nach einer epischen Finalschlacht gegen Rafael Nadal, nach seinem 5:7, 6:4, 6:2, 6:7 (5:7), 7:5-Wahnsinnssieg im längsten Spiel der Geschichte der Australian Open und dem längsten Grand-Slam-Finale aller Zeiten - fünf Stunden und 53 Minuten bei Temperaturen von über 30 Grad.

Um genau 1.37 Uhr morgens sank der völlig erschöpfte Djokovic auf den Boden des Centre-Courts. Knapp 20 Minuten später nahm er dann, fast wie in Trance, den Siegerpokal aus den Händen von Legende Rod Laver entgegen, eine angemessene Schlussszene für ein Match, das nicht nur wegen seiner Überlänge und Qualität auch in den späten Stunden in die Geschichtsbücher eingehen wird. Erstmals in seiner Laufbahn, die im letzten Spieljahr so richtig an Dynamik gewonnen hatte, verteidigte der "Djoker" einen Major-Titel und behielt auch seinen Nimbus als Serien-Spielverderber für Nadal: Der Triumph in Melbourne war bereits der siebte Erfolg hintereinander im Kopf-zu-Kopf-Vergleich, schon 2011 hatte Djokovic dem bulligen Mallorquiner die Trophäen in Wimbledon und in New York weggeschnappt.

Ein einziges Mal nur bei dieser insgesamt glorreichen Titelmission wirkte es, als habe sich Djokovic selbst mit einer Zeitmaschine in die unrühmliche Vergangenheit zurückgeschleudert - in die dunkleren Tennistage, in denen er den ewig Jammernden, ewig Angeschlagenen, ewig Leidenden gab. Das war im Fünfsatz-Halbfinalkracher gegen den Schotten Andy Murray, in dem der 24-Jährige vorübergehend wegen Atembeschwerden und Hüftschmerzen das Handtuch zu werfen schien. Doch wo Djokovic früher solche Matches tatsächlich aufgab, psychisch wie physisch den Herausforderungen auf diesem Leistungslevel nicht gewachsen, präsentiert er sich nun regelmäßig als stahlharter Gegenspieler für die anderen Großen - für den gleichaltrigen Weltranglistenvierten Murray, aber eben auch und besonders für seinen direkten Verfolger, den Weltranglistenzweiten Nadal, dem er inzwischen wie ein Albtraum auf zwei Beinen vorkommen muss. "Das Murray-Spiel war der Schlüssel für diese Australian Open", sagte Djokovic, "da habe ich gewusst: Ich kann hier den Weg auch zu Ende gehen."

Kurioserweise folgte die Dramaturgie der letzten Turnierphase jenem Sieglauf, den Nadal vor drei Jahren hier in Melbourne inszeniert hatte - damals hatte der Spanier nach einem Halbfinal-Zermürbungskampf über fünf Stunden und 14 Minuten seinen Landsmann Fernando Verdasco ausgeschaltet, ehe er dann verblüffend frisch im Finale Roger Federer abfertigte, kaum 43 Stunden später. Auch Djokovic steckte die vier Stunden und 50 Minuten, die er zum Knock-out gegen Murray gebraucht hatte, ohne sichtbare Wehwehchen weg. Kaum hatte er im zweiten Satz seinen Rhythmus gefunden, war er für Nadal zunächst nicht mehr zu bremsen: In der Pose des selbstbewussten Aggressors diktierte der Belgrader fortan das Spiel, vom anfänglichen Zweifeln und Zögern keine Spur mehr. Fast alle Big Points gingen an Djokovic. "Das ist hier ein Krieg von der Grundlinie. Und diesen Krieg gewinnt Djokovic", kommentierte Experte Jim Courier für Australiens Tennissender Seven Network. Und Lleyton Hewitt, der im Achtelfinale von Djokovic ausgeschaltete Lokalmatador, sah als kundiger Finalbeobachter einen "Nadal, der von Minute zu Minute mehr zusammenschrumpft und nicht weiß, was er anstellen soll".

Erst als Djokovic im vierten Satz plötzlich Angst vorm Gewinnen bekam und zu zögerlich in den wichtigen Ballwechseln agierte, deutete sich noch einmal eine Wende an. Djokovic vergab einen 4:3, 40:0-Vorsprung in diesem vierten Akt, ließ noch einmal eine 5:3-Führung im Tiebreak aus, doch dass er eine würdige Nummer eins der Branche ist, bewies er dann im fünften Satz. Bei einem 2:4-Rückstand gab niemand mehr einen Cent auf den Serben, der wie ein geschlagener Mann wirkte, dann aber wieder wie ein Entfesselungskünstler in höchster Not auf volles Risiko ging und das Spiel noch wendete.

Wer hätte es je für möglich gehalten, dass der einstige Branchenclown und Kollegenimitator Djokovic dem allseits gefürchteten Nadal nun diesen bitteren Eintrag ins Klassenbuch schreiben würde - als erster Mann, der in der Profiära dieses Sports drei aufeinanderfolgende Finals verloren hat. Genau das hat Djokovic nun geschafft, es ist ein Titel-Hattrick, der ihn nun in die Liga außergewöhnlicher Gentlemen schleuderte, ins Revier der dreimal hintereinander Erfolgreichen vom Schlage eines Rod Laver, eines Pete Sampras, eines Roger Federer und eines Rafael Nadal. "Es ist eine Ehre, mit diesen Leuten in einem Atemzug genannt zu werden", sagte Djokovic, der vier der letzten fünf Grand-Slam-Pokale gewonnen hat. Für das Welttennis ist es allerdings auch gerade eine Ehre, einen wie ihn als Nummer eins vorzeigen zu können.

Das Damenfinale gewann die Weißrussin Wiktoria Asarenka, 22, mit 6:3 und 6:0 gegen die Russin Maria Scharapowa und übernahm damit die Führung in der Weltrangliste.