Der Hamburger Daniel Schmidt ist Trampolinturner in der dritten Generation. Im April wurde er sensationell Doppeleuropameister. Jetzt träumt er von Olympia 2012

Hamburg. "Schön die Arme stellen von zwei auf drei!", ruft Olaf Schmidt. Dann ist wieder nichts zu hören in der Margaretha-Rothe-Halle in Barmbek, nur das Quietschen der Federn des großen Trampolins und das Keuchen von Daniel Schmidt. Zehnmal wird er nach oben katapultiert, zehnmal stürzt er aus mehr als sieben Meter Höhe wieder auf das Sprungtuch. Dazwischen liegen zehn Höchstschwierigkeiten, der Doppelsalto mit eineinhalb Schrauben zum Beispiel oder eine volle und eine doppelte Schraube gestreckt. Gut zwei Sekunden Zeit bleiben für jedes Element, zu wenig, als dass ein ungeübtes Auge folgen könnte.

"So weit oben ist es fast wie fliegen", sagt Daniel Schmidt später. Er muss sich noch ein bisschen gewöhnen an das neue Trainingsgerät, mit dem es deutlich höher hinausgeht als mit dem alten. Und ein bisschen auch an den Gedanken, dass er jetzt zweifacher Europameister ist. Ende April, da war er noch nicht einmal 19, gewann er in Bulgarien bei seiner ersten EM-Teilnahme Gold auf dem Doppel-Mini-Trampolin sowohl mit der deutschen Mannschaft als auch im Einzel. "Und das nach einer zweitägigen Busanreise wegen des Flugverbots", sagt sein Vater und Trainer, "daran hat keiner geglaubt."

Olaf Schmidt, 47, war 1986 Vizeweltmeister. Seit einem Vierteljahrhundert ist er Abteilungsvorsitzender des Bramfelder SV und neuerdings Bundestrainer. Daniel war vier, als er ihn zum ersten Mal aufs Trampolin stellte. Der Vater merkte schnell: "Er hatte unheimlich viel Talent." In all der Zeit habe er ihn nie zum Training überreden müssen. Olaf Schmidt hätte es ohnehin nicht getan, weil er sich noch zu gut erinnert, wie er oft heulend nach Hause gelaufen sei, weil er sich von seinem Vater und Trainer Peter, 73, schikaniert fühlte. Er sagt: "Ich wollte zeigen, dass es auch anders geht, ohne Druck."

Mittlerweile ist das Familienunternehmen Schmidt erfolgreich in der dritten Generation angekommen. Juliane, 17, ist Hamburger Meisterin. Ihr Bruder Daniel turnt mit einem Zweitstartrecht in der Bundesliga für Salzgitter. Nicht erst seit der EM wird er von Sportinternaten umworben, mit eigenen Hallen, in denen das Trampolin nicht jedes Mal auf- und wieder abgebaut werden muss und die Deckenhöhe ausreichend ist. Er hat alle Angebote abgelehnt: "Ohne meinen Papa kann ich es mir nicht vorstellen." Olaf Schmidt sei für ihn mehr als ein Trainer: ein guter Kumpel, mit dem er auch ins Kino gehe oder Lachsforellen angeln. Wie Vater und Großvater strebt er nach dem Abitur eine Laufbahn bei der Polizei an, die Aufnahmeprüfung hat er bereits bestanden.

Denn von seinem Sport kann Daniel Schmidt keine großen Sprünge machen, jedenfalls nicht in Deutschland. In China sei das etwas anderes, dort seien die Turner Profis und erhielten für einen Olympiasieg Geld und eine Wohnung. Vielleicht könnten sie deshalb noch härter trainieren und einen Meter höher fliegen als er selbst. Vielleicht liege es aber auch daran, dass sie leichter seien als er mit seinen 60 Kilogramm bei 1,70 Meter Körpergröße.

Daniel Schmidt hat gerade ein Einser-Abitur am Gymnasium Heidberg abgelegt. Der Bramfelder SV erstattet Startgelder und einen Teil der Fahrtkosten. Das Nationalteam stellt die Ausrüstung, der Olympiastützpunkt die Physiotherapie, dazu kommen Zuwendungen der Sporthilfe und des Teams Hamburg. Den Rest muss die Familienkasse tragen, "das geht locker in den vierstelligen Bereich", sagt Olaf Schmidt. Und wofür der Aufwand? Er zuckt mit den Achseln: "Verrückt."

Es gibt da diesen Traum: Olympia 2012 in London. "Auf dem Papier bin ich dafür noch zu jung", sagt Daniel Schmidt. Die Konkurrenz am olympischen Großgerät ist stark, derzeit sei er die Nummer fünf in Deutschland.

Trotzdem, glaubt Vater Olaf, könne er es ins Team der WM im November in Metz schaffen. Dafür muss der Schwierigkeitsgrad noch einmal erhöht werden. Im Training gelingt die Wettkampfkür bereits gut. "Komm, Kopf hoch!", ruft Olaf Schmidt. Mehr müsse er bei Daniel gar nicht sagen.