Bei den French Open triumphieren die Italienerin Francesca Schiavone und der Spanier Rafael Nadal - er löst Roger Federer als Nummer eins ab

Paris. Beide wälzten sich um roten Sand des Tennisstadions Philippe Chatrier, beide vergossen Tränen der Freude, beide herzten ihren hässlichen Siegerpokal, als wollten sie ihn nie mehr loslassen - und beide kassierten einen Siegerscheck in Höhe von 1,12 Millionen Euro. Und dennoch konnte nach den Endspielen der French Open der Unterschied zwischen den Siegern Francesca Schiavone und Rafael Nadal größer kaum sein.

Nadal musste sich in Paris drei Tage nach seinem 24. Geburtstag nicht einmal mehr zum Sandplatzkönig krönen lassen - er ist es längst. Schon zum fünften Mal triumphierte der Spanier bei diesem Höhepunkt der Sandplatzsaison, dem zweiten Grand-Slam-Turnier. Und weil sein ewiger Rivale, der Schweizer Roger Federer, bereits im Viertelfinale gescheitert war, eroberte Nadal auch wieder die Spitze der Weltrangliste.

Die schon 29-jährige Schiavone dagegen gewann als erste italienische Tennisspielerin überhaupt eines der vier großen Tennisturniere. Zuvor war sie bei 38 Grand-Slam-Wettbewerben angetreten, ohne dabei für größeres Aufsehen zu sorgen. Vor dem Finale hatte die an Nummer 17 gesetzte Spielerin in 13 Profijahren gerade mal drei Turniere der mittleren Kategorie gewonnen.

Nadal kann seine Pokale kaum mehr zählen. "Ich habe heute mein bestes Match in diesem Turnier gespielt, sonst hätte ich Robin nicht schlagen können", sagte er nach seinem am Ende souveränen 6:4, 6:2, 6:4-Finalsieg in gerade einmal 138 Minuten gegen den Schweden Robin Söderling, ehe er einige Worte in französischer Sprache an die 15 166 Zuschauer richtete - und seiner Königin Sofia dankte, mit der er nach dem emotionalen Sieg Küsschen ausgetauscht hatte. Zum Rekord des Schweden Björn Borg, der zwischen 1974 und 1981 sechsmal am Bois de Boulogne triumphiert hatte, fehlt ihm jetzt nur noch ein Erfolg. "Es war nie mein primäres Ziel, wieder die Nummer eins zu werden", beschrieb Nadal seine Prioritäten. "Das Wichtigste für mich ist, dass ich verletzungsfrei bin."

Dabei war Nadals Sieg zwangsläufig. Er dominierte das Match in jeder Szene und stand nie ernsthaft in Gefahr, auf die Verliererstraße zu geraten. Der Spanier hatte mit Söderling noch eine Rechnung offen: Der Schwede hatte ihn im vergangenen Jahr im Achtelfinale aus dem Rennen geworfen und damit Roger Federer eine historische Chance auf den ersten French-Open-Titel ermöglicht. Damals war Nadal allerdings körperlich angeschlagen, diesmal ging er topfit in das Match. Von seinen Knieblessuren war nichts zu spüren. Auf jeden Schlag Söderlings, der sich redlich mühte, wusste er die bessere Antwort. Läuferisch war er ohnehin nicht zu bezwingen. Die Statistik unterstreicht die Überlegenheit der neuen Nummer eins: Im gesamten Match gab er nicht einmal seinen Aufschlag ab. Und im gesamten Turnierverlauf verlor Nadal keinen einzigen Satz - das war dem fünfmaligen Sieger bislang nur einmal gelungen, bei seinem bis dato letzten Triumph 2008. In diesem Jahr heißt Nadals Sandplatz-Bilanz: 22 Spiele, 22 Siege.

Robin Söderling blieb nichts anderes, als die Übermacht seines Gegners anzuerkennen. "Rafa, deine zwei Wochen waren beeindruckend", sagte der Schwede. "Wenn du so weitermachst, gewinnst du noch viele, viele Titel mehr." 560 000 Euro Preisgeld waren mehr als ein schlechter Trost. Söderling wird sich heute in der Weltrangliste auf den sechsten Platz verbessern und damit sein bislang bestes Ranking einnehmen. Schweden muss weiter auf den ersten French-Open-Titel seit Mats Wilander 1988 warten.

Auch "Francesca Nazionale", wie die Italiener ihre Siegerin Schiavone im Überschwang nationaler Gefühle nennen, wird in der Weltrangliste auf den sechsten Platz klettern. "Ich habe mich gefühlt wie ein Champion", sagte sie, "das waren große Emotionen. Davon habe ich immer geträumt." Und dann wurde es beinahe philosophisch: "Das hier zeigt, dass jeder die Chance hat, zu werden, was er werden möchte, und dass man wirklich alles schaffen kann."

Im Debütantinnen-Ball des Grand Slam hatte die Mailänderin ihre vielleicht einzige Gelegenheit auf einen großen Titel ergriffen und überraschend die höher eingeschätzte Australierin Samantha Stosur mit 6:4, 7:6 (7:2) besiegt. 34 Jahre nach Adriano Panatta - ebenfalls in Paris - hat Italien wieder einen Grand-Slam-Titel gewonnen. Ihre Freunde, die kurzfristig nach Paris gekommen waren, stellten das Motto auf einem T-Shirt zur Schau: "Schiavo, nothing is impossible." Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano gratulierte per Handy, als Schiavone noch auf dem Court stand. Premierminister Silvio Berlusconi schloss sich später an.

Stosur konnte im Finale nicht ganz an ihre großen Siege gegen Justine Henin, Serena Williams und Jelena Jankovic anknüpfen und verspielte im zweiten Satz eine 4:1-Führung. "Die zwei Wochen waren eine großartige Reise", sagte Stosur. "Aber man wünscht sich wohl am Ende das ganze Märchen." Dennoch würdigte sie die Leistung ihrer Gegnerin: "Es zeigt, dass man kein Wunderkind gewesen sein muss, um so etwas zu schaffen." Die australischen Damen müssen weiter warten. Ihren letzten Grand-Slam-Titel hatte 1980 in Wimbledon Evonne Goolagong gewonnen.