Bei den Europameisterschaften in Birmingham holten das Team und Matthias Fahrig am Boden Gold

Birmingham. Das deutsche Turnen hat am Wochenende Sternstunden erlebt. Beflügelt vom ersten EM-Team-Titel am Sonnabend doppelten die Schützlinge von Cheftrainer Andreas Hirsch gestern Sonntag in den Gerätefinals nach und holten noch einmal Gold, einmal Silber und dreimal Bronze. Sechs Medaillen sind das beste Ergebnis für die Deutschen seit 21 Jahren.

Matthias Fahrig krönte sich dabei zum neuen Turnkönig. 24 Stunden nach dem Triumph mit der Mannschaft ließ der 24-jährige Hallenser einen weiteren Titel am Boden sowie Silber beim Sprung folgen und stellte Ausnahmeturner Fabian Hambüchen erstmals in den Schatten.

Fahrigs Glanzstück war die Boden-Kür, mit der er seinem Teamkollegen den Titel entriss. Mit der schwierigsten Übung dominierte der sprunggewaltige Fahrig die Konkurrenz, Teamkollege Marcel Nguyen (Unterhaching) eingeschlossen, der die Bronzemedaille gewann.

Nur 18 Monate nachdem er aus disziplinarischen Gründen nicht für die Olympischen Spiele in Peking berücksichtigt worden war, genoss der Halb-Kubaner seine erste internationale Einzel-Goldmedaille in vollen Zügen: "Einfach wunderbar, alles hat gepasst. Ich freue mich wahnsinnig. In den letzten Jahren bin ich immer besser geworden und habe eine gewisse Konstanz bewiesen, auch persönlich."

Mit dem Dragulescu (Ausgangswert: 7,0 Punkte) zeigte Fahrig auch beim Sprung die schwierigste Übung aller Finalisten und wurde für sein Risiko mit Silber hinter Tomi Tuuha aus Finnland belohnt.

"Der Titel am Boden ist im Land geblieben. Das war wichtig", würdigte Hambüchen Fahrigs Leistung. Immerhin durfte sich Hambüchen noch über eine Bronzemedaille am Reck freuen, gemeinsam mit seinem Teamkollegen Philipp Boy aus Cottbus, der auf die gleiche Punktzahl kam. Hambüchen fehlte in der Schwierigkeit das entscheidende Zehntel, um Titelverteidiger Vlasios Maras aus Griechenland hinter sich lassen zu können.

Hambüchen strahlte diesmal nicht die Souveränität vergangener Jahre aus. "Ich bin so froh, dass jetzt alles vorbei ist", gestand er und fügte hinzu, sich durch den Stress der vergangenen Jahre zuletzt etwas "leer gefühlt" zu haben. "Die Fuß-Verletzung vor der WM in London war ein Warnsignal, künftig etwas kürzer zu treten", sagte er.

In der Team-Entscheidung feierten die fünf deutschen Turner, zu denen neben Fahrig, Hambüchen, Nguyen und Boy noch Eugen Spiridonov gehörte, den ersten Mannschafts-Erfolg einer deutschen Riege seit dem Olympiasieg 1936 in Berlin. Nach einer tollen Leistung mit 18 Übungen ohne Sturz brillierten sie mit 266,150 Punkten vor Großbritannien (263,025) und Frankreich (260,100). "Das war absolute Weltklasse, das gab es bei uns noch nie", sagte Hambüchen nach dem souveränen Erfolg. "Wir haben auf dem Podest im Chor die Hymne gesungen. Das war Gänsehaut-Feeling. Mir wurde richtig warm ums Herz", schilderte Hambüchen seine Gefühle. Erstmals stand Fabian Hambüchen bei Titelkämpfen nicht allein im Mittelpunkt, sondern sah sich nur als ein Rädchen im großen Getriebe.

"Einen Wettkampf ohne einen Fehler habe ich noch nie erlebt. Sensationell", freute sich auch Cheftrainer Andreas Hirsch. Die Turn-Großmacht Russland nahm an der EM wegen Anreiseproblemen nicht teil und konnte ihren Titel nicht verteidigen. "Diesmal hätten es auch die Russen gegen uns schwer gehabt", meinte DTB-Präsident Reinhard Brechtken