Hamburg. - Michael Timm einen Pessimisten zu nennen wäre in etwa so passend, wie Fußballstar Franck Ribéry zu einem Schönheitswettbewerb zu melden. Doch wenn es um seinen Schützling Jürgen Brähmer geht, dann greift der Cheftrainer des Hamburger Universum-Profistalles gern zum Sarkasmus. "Dass Jürgen am Sonnabend boxt, glaube ich erst, wenn er im Ring steht", sagte Timm in dieser Woche, "die finden bestimmt einen Weg, um ihn doch noch vorher in den Knast zu bringen."

Die, das ist in Brähmers Fall die Schweriner Staatsanwaltschaft. Am 13. Januar war der WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht, der seinen Titel an diesem Sonnabend in der Sporthalle Hamburg (ab 19 Uhr, Restkarten an der Abendkasse) verteidigt, vor dem Amtsgericht in seiner Heimatstadt von Richter Rainer Schmachtel wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten verurteilt worden. Brähmers Anwalt Johannes Eisenberg und auch Staatsanwalt Wulf Kollorz, der 18 Monate gefordert hatte, legten gegen das Urteil Berufung ein. Es ist deshalb nicht rechtskräftig, Brähmer blieb auf freiem Fuß und darf seinem Beruf weiterhin nachgehen.

Timm ist trotzdem vorsichtig geworden. Er hat vor vergangenen Kämpfen zu oft erlebt, dass sein Sportler sich wegen anstehender Gerichtsverhandlungen nur unzureichend vorbereiten konnte und den Kopf nicht für seinen Job frei hatte. Die Quittung hätte der 31-Jährige beinahe bei seiner ersten Titelverteidigung am 19. Dezember letzten Jahres in Schwerin erhalten, als er gegen den Russen Dmitri Sukhotsky in Runde zehn vor dem Knockout stand, sich dann aber in die Pause rettete, bravourös zurückschlug und den Kampf nach Punkten gewann.

Vier Monate hatte der gelernte Schweißer Zeit, um seine Lehren zu ziehen, und weil es bislang keinerlei weitere juristische Störfeuer gegeben hat, glaubt er die Nachwehen der Verurteilung verarbeitet zu haben. "Das Thema ist abgehakt. Ich habe sehr gewissenhaft gearbeitet, teils sogar zu viel gemacht", sagt er. Seine Defensive, die in allen Duellen mit Spitzenleuten als Schwachstelle ausgemacht werden konnte, sei im Training "gar nicht schlecht", es sei zudem "normal, dass man mal die Linie verliert, wenn man im Kampf eine fängt", sagt er. Sein Promoter, Universum-Chef Klaus-Peter Kohl, hofft dennoch auf Besserung: "Jürgen ist einer, der viel riskiert. Aber ich wünsche mir, dass er an seiner Deckung noch arbeitet."

Dass die Vorbereitung auch diesmal nicht optimal verlief, lag weder an Brähmer noch an der Justiz. Das Flugverbot in Europa sorgte dafür, dass sein argentinischer Kontrahent Mariano Nicolas Plotinsky (35) zunächst nicht anreisen konnte. Ein Ersatzgegner vom europäischen Festland war bereits verpflichtet, bis am Mittwoch die Entwarnung kam. Plotinsky flog über Madrid nach Hannover, wo er abgeholt wurde. "Als Weltmeister muss man sich kurzfristig auf jede Herausforderung einstellen können", sagt Brähmer in seiner mecklenburgisch-unaufgeregten Art.

Viel mehr kann er sich über die Entscheidung von Universums TV-Partner ZDF ereifern, der in Brähmers Gesetzeskonflikten ein moralisches Problem ausgemacht hat und seinen Kampf nur in einer Zusammenfassung überträgt. "Dazu werde ich zu gegebener Zeit schon ein paar richtige Worte finden. Es ist ja nicht das erste Mal, dass dieser Sender sein eigenes Produkt klein redet und damit kaputt macht. Was soll man davon schon halten?", sagt er. Beim ZDF heißt es, man habe dem Publikum einen Hauptkämpfer Brähmer angesichts der juristischen Situation in Absprache mit Universum nicht zumuten mögen. Kohl kann der Konflikt im Grunde recht egal sein. Er muss einen anderen Sender von Brähmers Zukunft überzeugen. Der Vertrag mit dem ZDF läuft zum 31. Juli aus.