Auch Vettel wurde ein Opfer der Umstände. Zweiter Saisonsieg fürWeltmeister Button im McLaren.

Shanghai. Es war ein Rennen wie für Michael Schumacher gemacht. Regenschauer, wechselnde Bedingungen, ein Glücksspiel bei der Reifenwahl. Genau die Umstände, unter denen der siebenmalige Weltmeister in seiner ersten Formel-1-Karriere unschlagbar war. Beim Großen Preis von China aber, dem vierten Teil seiner Comeback-Geschichte, musste sich der Altmeister im Mercedes-Silberpfeil von der jüngeren Konkurrenz demütigen lassen und rettete sich gerade noch auf Platz zehn ins Ziel. Auch wenn es für Schumachers schlappe Fahrt Erklärungen geben mag, etwa falsche Entscheidungen bei der Reifenwahl, muss er sich Fragen nach der Ernsthaftigkeit seines Comebacks gefallen lassen.

Denn bei den Silberpfeilen strahlt derzeit nur ein Stern - der von Nico Rosberg. Der eigentlich als Schumacher-Backup vorgesehene Nachwuchsmann eroberte als Dritter hinter dem McLaren-Duo Jenson Button und Lewis Hamilton zum zweiten Mal in Folge einen Platz auf dem Podest. Zuletzt waren vor 55 Jahren drei Rennwagen mit Mercedes-Motoren ganz vorn. In der Momentaufnahme der WM-Zwischenwertung blitzt Rosbergs Name gar auf Platz zwei hinter Titelverteidiger Button auf.

Wurde Schumacher bislang für seine mageren Ergebnisse noch geschont, gab es gestern erstmals harsche Kritik. "Er hat eine schwache Leistung im Vergleich zu Nico gebracht", sagte der dreimalige Weltmeister und RTL-Kommentator Niki Lauda. "Er ist nicht in die Gänge gekommen, obwohl die Bedingungen seine waren." Und, ganz beschämend: "Er steckt auf einer mittelmäßigen Leistung fest."

Tatsächlich wirkte Schumacher phasenweise wie ein Fahrschüler. Während früher jedes Überholmanöver gegen ihn wie ein Weltereignis gefeiert wurde, zogen die Konkurrenten in Shanghai serienweise am Mercedes mit der Startnummer 3 vorbei. In den Schlussrunden musste er noch den Russen Witali Petrow im Renault und seinen Ferrari-Freund Felipe Massa vorbeiziehen lassen.

"Ich habe keinen guten Job gemacht", gestand Schumacher ein und machte dabei ein Gesicht, das nicht mehr so sehr nach dem "Spaß" aussah, den er in den vergangenen Wochen signalisiert hatte. Schumacher urteilte: "Das war eines der Rennen, die man schnell vergessen möchte." Gleich viermal hatte er seinen Silberpfeil an den Boxen geparkt, um neue Reifen zu fassen - fast immer zum falschen Zeitpunkt. Nico Rosberg kam mit zwei Reifenwechseln aus. Allerdings war Fernando Alonso sogar fünfmal an der Box - und wurde Vierter. Schumachers letzter Wechsel 19 Runden vor der Zielflagge war auf jeden Fall zu früh. "Da wäre eine andere Entscheidung wohl besser gewesen", resümierte er. "Am Ende kämpfte ich auf verlorenem Posten."

Noch hat Schumacher die Rückendeckung seiner Chefs. "Michael hat das Autofahren nicht verlernt", behauptet Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug gebetsmühlenartig. "Wir werden eher früher als später bessere Ergebnisse sehen." Außerdem habe er nach einer Feindberührung Probleme mit dem Auto gehabt. Teamchef Ross Brawn versprach: "Die Probleme mit dem Reifenverschleiß werden wir bis zum nächsten Rennen analysieren." Ob der generalüberholte Mercedes am 9. Mai in Barcelona Abhilfe schafft, ist unklar. "Wir werden Fortschritte machen", sagte Schumacher. "Aber auch die Konkurrenz wird zulegen."

Auch Sebastian Vettel wurde ein Opfer der widrigen Umstände. Der Trainingsschnellste, der bislang mit seinem Red Bull als schnellste Kombination der Saison galt, sprach von einem "absoluten Chaosrennen". Er fiel nach dem Start auf Platz drei zurück, musste sich vor seinem Reifenwechsel zu lange hinter seinem Teamkollegen Mark Webber anstellen und verlor rasch den Kontakt zur Spitze. So blieb nur der sechste Platz und wenigstens ein paar Punkte. "Wir hätten heute noch mehr verlieren können."

Titelverteidiger Jenson Button, dem kaum jemand im McLaren-Teamduell mit Lewis Hamilton überhaupt eine Chance eingeräumt hatte, triumphierte nun schon zum zweiten Mal unter widrigen Bedingungen. Sein Team traf zu jeder Phase die richtige Entscheidung. So feierte ein Kunden-Team den 70. Mercedes-Sieg in der Formel 1.