Berlin/Augusta. Als Amy Mickelson ihren Mann über die 18. Bahn des Augusta Nation Golf Club schreiten sah, liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie hatte nicht die Kraft gehabt, seinen ganzen Arbeitstag live zu verfolgen - die Chemotherapie wirkte noch nach -, aber den Triumph wollte Amy miterleben. Und so sah sie zwischen den vielen Zuschauern, wie ihr Gatte mit dem letzten Putt den Sieg beim wichtigsten Golfturnier der Welt perfekt machte. Zum dritten Mal nach 2004 und 2006 gewann Phil Mickelson das Masters. Es war sein emotionalster Erfolg.

Kaum hatte der Amerikaner den Ball aus dem Loch geangelt, kannte er nur noch ein Ziel: Amy. "Ich wusste nicht, ob sie hinter der 18 auf mich warten würde", sagte Mickelson: "Über das Grün zu laufen und diesen Moment mit ihr teilen zu können, war sehr emotional für uns." Mickelson und seine Frau fielen sich in die Arme und schufen trotz Tausender Zuschauer und etlicher Kameras einen sehr intimen Moment. Er wisse gar nicht, ob sie in dieser halben Minute miteinander gesprochen hätten, sagte Mickelson später: "Wir haben uns gedrückt. Einfach nur gedrückt."

Elf Monate ist es her, als sich die Welt der Mickelsons veränderte. Amy, die sich 1992 als Cheerleaderin der Arizona State University in den Golfstudenten Phil verliebt und ihn vier Jahre später geheiratet hatte, erfuhr bei einem Arztbesuch, dass sie an Brustkrebs leidet - mit 37 Jahren. Mickelson sagte seine kommenden Turnierstarts ab, und die Familie entschied sich, offensiv mit dem Thema umzugehen. Sie machte die Erkrankung öffentlich, und Mickelson gab seine Gefühlswelt preis. "Es kommt vor, dass ich allein im Auto bin, irgendwo hinfahre und einfach zu weinen anfange", sagte er. Kurze Zeit nach diesem Satz, genau sechs Wochen nach Amys Diagnose, wurde auch bei Mickelsons Mutter Brustkrebs entdeckt.

Bei beiden schlug die Strahlenbehandlung an. Und so entschied sich Amy, ihren Mann erstmals wieder zu einem Turnier zu begleiten. Die Familie mietete ein Haus, morgens ging der Vater mit den drei Töchtern zum Frühstück, dann auf den Golfplatz.

Was seine Frau im Fernsehen sah, war der Auftritt eines wahren Meisters. Zunächst machte er am Sonnabend binnen einer halben Stunde fünf Schläge gut. In der Schlussrunde spielte er sich in einen Rausch, blieb ohne Bogey und insgesamt fünf Schläge unter Par. Während der führende Engländer Lee Westwood am Sonntag seine schwächste Runde spielte, gelangen Mickelson serienweise Traumschläge. Den vielleicht schönsten davon an der 13, einer Par-5-Bahn. Er hatte seinen Abschlag in den Wald verzogen, katapultierte ihn von dort durch die Bäume 180 Meter weit über ein Wasserhindernis hinweg direkt aufs Grün. Es sind riskante Versuche wie diese, die aus guten Spielern Champions machen.

Nach diesem Schlag entschied sich seine Frau Amy, zum Platz zu fahren. Der Träger des berühmten grünen Jacketts würdigte sie: "Amy ist eine unglaubliche Ehefrau und Mutter, sie ist meine Inspiration. An diesen Tag werden wir uns für den Rest unseres Lebens erinnern."

Dies wird Tiger Woods kaum behaupten können. Zwar lieferte er nach fünfmonatiger Pause als Vierter ein ordentliches Comeback ab. Zufrieden aber war er nicht. "Jetzt mache ich eine Pause und denke noch einmal über alles nach", sagte Woods.

Bislang flogen dem Tiger die Herzen der Fans nur so zu, denn Amerika liebt Gewinner. Nun aber hat Mickelson gewonnen, und die sympathischere Geschichte hat er sowieso: Seiner Frau beizustehen ist ehrenwerter als sie jahrelang mit allerlei Pornostars und Stripperinnen zu betrügen. Auf Tiger Woods wartete niemand am 18. Grün.